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Medizintechnik
Wie Quantencomputing in der medizinischen Diagnostik helfen könnte
Quantencomputing hat das Potenzial, in der medizinischen Diagnostik eine Künstliche Intelligenz effizienter zu trainieren. Dadurch werden Diagnosen genauer, auch wenn nur wenig Daten zur Verfügung stehen. Medizinerinnen und Mediziner erwarten, dass sich in Zukunft zum Beispiel Früherkennung, Diagnose und Verlaufskontrolle in Bezug auf Hirntumore verbessern.
© iStock.com/alvarez
Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet im Bereich der Medizintechnik komplett neue Möglichkeiten in der Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Beispielsweise kann sie in der frühzeitigen Erkennung von Tumorerkrankungen eingesetzt werden. Gerade im medizinischen Bereich ist es aber notwendig, dass eine KI absolut zuverlässige Ergebnisse liefert. Dies erfordert, dass ausreichend Daten hoher Qualität zum Training der KI vorhanden sind.
Typischerweise stehen Datenmenge aber nur in recht limitiertem Umfang zur Verfügung, zum Beispiel Daten von lediglich 100 oder 1000 Patientinnen oder Patienten. Zugleich zeichnet sich durch die Verknüpfung unterschiedlichster Informationen zur besseren Behandlung von Krankheiten eine anwachsende Komplexität in den Berechnungen ab, die immer leistungsstärkere Computer erfordert.
Quantencomputing hat hier das Potential, unterstützend einzugreifen, da von Quantencomputern erwartet wird, dass sie besonders gut zur Lösung komplexer Probleme geeignet sein werden.
Was ist Quantencomputing?
In konventionellen Computern liegen alle Daten in Bits vor, wobei ein Bit einen Wert von 0 oder 1 einnehmen kann. Dagegen können Quantum Bits (Qubits), mit denen ein Quantencomputer rechnet, auch alle Werte dazwischen einnehmen. Genauer gesagt ist ein Qubit zu jedem Zeitpunkt eine Überlagerung von 0 und 1 (Superposition). Dadurch können Daten deutlich kompakter in Quantencomputern als in konventionellen Computern dargestellt werden.
Dies ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die Annahme besteht, dass Quantencomputing konventionellen Computern in bestimmten Bereichen überlegen sind. Zusätzlich können die Qubits noch miteinander interagieren, wodurch es zu einer Verschränkung von unterschiedlichen Qubit-Zuständen kommen kann, und auch zu einer Interferenz. Schlussendlich können durch diese drei Effekte – Überlagerung, Verschränkung, Interferenz – Quantencomputer bestimmte Berechnungen deutlich effizienter ausführen. Das heißt sie benötigen deutlich weniger Iterationen, um zu einer ähnlichen Qualität wie eine konventionelle KI zu kommen.
Das ist allerdings aktuell noch eine theoretische Erwartung, die keineswegs schon in praktischen Anwendungen bewiesen wurde. Der Grund hierfür ist, dass die aktuell verfügbaren Quantencomputer noch relativ klein sind, das heißt über relativ wenig Qubits verfügen. Das IBM Quantum System One in Ehningen, zu dem Fraunhofer exklusiv Zugang hat, verfügt beispielsweise aktuell über 27 Qubits.
Zudem sind aktuelle Quantencomputer noch recht fehleranfällig, da das fragile System aus Qubits schließlich nahezu perfekt von der Außenwelt abgeschirmt werden muss. Nur so kann es seine quantenmechanischen Eigenschaften behalten, die für die verbesserte Rechenleistung notwendig sind.
Dies zu garantieren, stellt jedoch eine große technische Herausforderung dar. Technische Entwicklungen im Bereich der supraleitenden Quantencomputer schreiten aber aktuell schnell voran, so dass laut IBM bereits in wenigen Jahren Systeme mit über 1000 Qubits und einer verbesserten Fehlerkorrektur zur Verfügung stehen könnten. Damit würde die Lösung von sehr komplexen Problemen in der KI dann doch in greifbare Nähe rücken.
Quantencomputer sind Tausendsassas für Optimierungsprobleme
Doch für welche Art von Problemen wird von Quantencomputern eine Überlegenheit über konventionelle Computer erwartet? Beispiele dafür finden sich bei komplexen Optimierungsproblemen, wo viele Randbedingungen und Eingabedaten eine Rolle spielen. Das gilt etwa für die Routenoptimierung in der Logistik, oder für die optimierte Fertigung komplexer Bauteile wie Halbleiterschips in der Produktion.
Daneben geht man davon aus, dass Quantencomputer deutlich besser als konventionelle Computer geeignet sind, molekularbiologische oder -chemische Systeme zu simulieren. Das betrifft zum Beispiel die Entwicklung neuer Medikamente oder neuartiger, nachhaltiger Batterien. Daneben liegen die Erwartungen auf wesentlich effizienteren und somit schnelleren Trainings einer KI. Dies kann dann beispielsweise relevant werden für die medizinische Diagnostik auf Basis von Bilddaten (insbesondere MRT- und CT-Bilder).
Hoffnungsträger Hybrid-Algorithmen
Aufgrund der aktuell noch recht kleinen und fehleranfälligen Quantencomputer sind besonders sogenannte Hybrid-Algorithmen vielversprechend, um möglichst schnell Quantenvorteile für industrielle und auch medizinische, Anwendungen zu erzielen. Dabei interagiert der Quantencomputer mit einem konventionellen Computer. Aber nur die Teile eines Algorithmus, die tatsächlich durch die kompakteren und effizienteren Berechnungen auf einem Quantencomputer profitieren, werden tatsächlich auf ihm berechnet. Die so auf dem Quantencomputer berechneten Teile lassen sich möglicherweise auch schon mit den kleinen und fehleranfälligen, aktuell verfügbaren Quantencomputern realisieren. Somit könnte der Nutzen des Quantencomputing für eine Anwendung in der Praxis möglicherweise schon mittelfristig vorliegen.
Quanten-Convolutional Neural Networks verbessern medizinische Diagnose
Ein sehr vielversprechendes Beispiel für einen solchen Hybridalgorithmus ist ein Quanten-Convolutional Neural Network (QCNN). Klassische Convolutional Neural Networks (CNN) werden oft in der Bilderkennung eingesetzt, wie beispielsweise in der Gesichtserkennung. CNN betrachten in der sogenannten Convolutional Layer stets nur Teilbereiche, also Ausschnitte, eines Bildes. Gerade dieser Aspekt macht sie für die aktuell noch kleinen Quantencomputer sehr interessant: Das Ersetzen einer klassischen Convolutional Layer durch eine Quantum Convolutional Layer erfordert nämlich nur wenige Qubits und ist auch bis zu einem gewissen Grad unabhängig von den Fehlern der Quantencomputer-Hardware. Die Quanten Convolutional Layer dürfte jedenfalls eine deutlich effizientere und kompaktere Berechnung als eine klassische Convolutional Layer durchführen können. Dadurch genügen möglicherweise schon weniger Trainingsdaten und -iterationen, damit ein QCNN die Qualität eines konventionellen CNN erreicht.
Wie QCNN erfolgsversprechend in der medizinischen Diagnostik eingesetzt werden können, erforscht das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS im Rahmen des Bayerischen Kompetenzenzzentrums für Quanten-Security und Data Science (BayQS). In diesem vom Bayerischen Wirtschaftsministerium geförderten Projekt arbeitet das Fraunhofer IKS zusammen mit zwei anderen Fraunhofer-Instituten, sowie mit Kolleginnen und Kollegen von der Neurochirurgischen Klinik und der Radiologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Technischen Universität München und dem Leibniz-Rechenzentrum. Hierbei wird das Potential von QCNN (und allgemein von Quantencomputing-gestützten Methoden) in der Früherkennung von Hirntumoren erforscht unter Verwendung von MRT- und CT-Bildern. Durch das bessere Trainingsverhalten eines QCNNs, können auch bei wenig zur Verfügung stehenden Daten genauere KI-gestützte Diagnosen und Handlungsempfehlungen entwickelt werden. Möglicherweise erlaubt dies nicht nur eine verbesserte und verlässlichere Diagnose, sondern auch eine umfassendere Früherkennung und Verlaufskontrolle.
Neben QCNNs werden im Rahmen dieses Projektes auch sogenannte Quantum Bayesian Neural Networks (BCNN) erforscht, die es erlauben werden, Unsicherheiten explizit durch ein Neuronales Netzwerk zu bestimmen, und dies im Gegensatz zu konventionellen Deep Neural Networks auch bei komplexer Datenlage. Somit können sie schlussendlich zu einer besseren Kontrolle der Unsicherheiten einer medizinischen Diagnose beitragen.