Munich Quantum Valley
Quantensprung für Maschinelles Lernen

Das Fraunhofer IKS forscht an sicheren Softwareanwendungen für Quantencomputer. Die Arbeit ist Teil der neuen bayerischen Initiative Munich Quantum Valley.

14. Januar 2021

Kleinste Wassertropfen auf einem Blatt in schwarzweiß
mask Kleinste Wassertropfen auf einem Blatt in schwarzweiß

Quantencomputing hat das Potenzial, eine Vielzahl von Industrien massiv und nachhaltig zu verändern und zahlreiche neue Anwendungen zu ermöglichen. Dazu zählen beispielsweise Simulationen neuer Materialien für effizientere Solarzellen und Batterien, Lösungen für komplexe Optimierungsprobleme in der Logistik-, Finanz- und Versicherungsindustrie sowie datenintensive Anwendungen für Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit.

Hier finden Sie die Presseinformation der Fraunhofer-Gesellschaft zum Munich Quantum Valley:

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Um die Entwicklung der Quantenwissenschaft und -technologie im Rahmen der bayerischen Quanteninitiative voranzutreiben, wurde gestern in München das »Munich Quantum Valley« vorgestellt. Neben der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Max-Planck-Gesellschaft und der Technischen Universität München zählt auch die Fraunhofer-Gesellschaft zu den Partnern der Initiative. Mit dem Munich Quantum Valley sollen Forschung, Entwicklung und Ausbildung im Bereich der Quantenwissenschaft und -technologie gestärkt werden.

Die Fraunhofer-Gesellschaft wird sich dabei sowohl auf Hardware-Ebene durch den im Aufbau befindlichen Quantencomputer mit IBM einbringen als auch auf Software-Ebene über das Bayerische Kompetenzenzzentrum für Quanten-Security und Data Science (BayQS). Im BayQS verfolgen die drei Fraunhofer-Institute AISEC, IKS und IIS das Ziel, Quantencomputing beispielsweise durch die Entwicklung von Quantenalgorithmen entscheidend mitzugestalten.

Kleine Teilchen mit großer Wirkung

Ein »Quant« beschreibt den kleinstmöglichen Wert einer physikalischen Größe. Es kann nicht geteilt, sondern nur als Ganzes erzeugt oder vernichtet werden. Auch wenn seit den 1960er Jahren an Quanten geforscht wird, haben Physiker sie noch nicht komplett verstanden, da die Gesetze der Quantenphysik unseren Alltagserfahrungen widersprechen.

Safety-Kompetenz für Quantencomputing durch das Fraunhofer IKS

Im Rahmen der Entwicklung von Software-Anwendungen für Quantencomputing konzentriert sich das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS mit seiner Expertise in Sachen Safety auf das Forschungsfeld »Zuverlässiges und robustes Quantencomputing«.

Denn Quantencomputing bietet viele Möglichkeiten für innovative Problemlösungen, allerdings kann es erst dann einen echten Mehrwert bieten, wenn die Berechnungen zuverlässig und sicher sind. Neben der reinen Rechenleistung ist daher die Robustheit des Quantencomputing eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz in der Praxis. Um diese Herausforderung zu lösen und Softwareanwendungen für Quantencomputer verlässlich zu gestalten, forscht das Fraunhofer IKS vor allem an zwei Themen: Erstens, an der Quantencomputing-gestützten Verifizierung neuronaler Netze, und zweitens, an verlässlicher Quantencomputing-unterstützter KI für die medizinische Diagnostik.

Qualitätsnachweis für Neuronale Netze mit Hilfe von Quantencomputing

Der Einsatz Neuronaler Netze in sicherheitskritischen Umfeldern ist sehr herausfordernd, da selbst kleine Veränderungen am Input wie beispielsweise einem Bild zu einem anderen Ergebnis der Berechnungen führen können. Um eine verlässliche Aussage zur Qualität der Berechnungen des Neuronalen Netzes treffen zu können und damit sicherer zu gestalten, kommen bestimmte Algorithmen zum Einsatz, die einen solchen Qualitätsnachweis liefern können – beispielsweise dafür, dass eine Veränderung von definierten Merkmalen um drei Prozent das Ergebnis der Berechnungen eines bestimmten Neuronalen Netzes nicht verändert. Diese Qualitätsnachweise funktionieren aktuell jedoch nur für relativ einfach Netze, da mit der Größe und Komplexität eines Neuronalen Netzes die für die Nachweisführung benötigte Berechnungszeit massiv steigt. Daher untersucht das Fraunhofer IKS, wie die Optimierung und Absicherung autonomer, vernetzter Systeme mit Hilfe des Quantencomputing verbessert werden kann.

Superposition statt Binärcode

Quantencomputer bestehen aus Qubits. Anders als Bits kennen Qubits nicht nur den Zustand 1 oder 0, sondern jeden beliebigen Zustand dazwischen – die sogenannte Superposition. Qubits sind um ein Vielfaches leistungsstärker als normale Bits, aber auch sehr sensibel. Um möglichst stabil arbeiten zu können, benötigen sie eine Arbeitsumgebung nahe dem absoluten Nullpunkt.

Verlässlichkeit für vernetzte medizinische Diagnostik

Im Rahmen des zweiten Themenfeldes untersucht das Fraunhofer IKS in Zusammenarbeit mit der Neurochirurgischen Klinik und der Radiologischen Klinik am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, wie Quantencomputing und Künstliche Intelligenz für eine intelligente Diagnostik und Gesundheitsversorgung eingesetzt werden können. Hier gelten hohe Anforderungen an die Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit von Diagnosen komplexer, vernetzter Systeme. Der Fokus des Forschungsprojekts liegt dabei auf der Früh- und Verlaufsdiagnostik von Hirntumoren. Konkret wird untersucht, inwieweit durch den Einsatz von KI-Methoden eine bessere Analyse der Bildrohdaten möglich ist und inwieweit die Interaktion von Gehirnarealen analysiert und simuliert werden kann. Des Weiteren befassen sich die Forscher damit, wie medizinische Entscheidungsprozesse durch eine integrierte Betrachtung von Bilddaten und weiteren Daten verbessert werden können. Durch den Einsatz von Quantencomputern könnte hier ein Durchbruch erzielt werden.

Quantencomputing: Von der Forschung in die Industrie

Die Forschungsvorhaben zeigen: Es gibt noch zahlreiche offene Fragen und Herausforderungen beim Einsatz von Quantencomputern in der Industrie. Die neu gestarteten Initiativen zur Weiterentwicklung der Quantenwissenschaft und -technologie mit Beteiligung der Fraunhofer-Gesellschaft sowie von Fraunhofer-Instituten wie dem Fraunhofer IKS arbeiten daran, diese Fragen zu beantworten und die bestehenden Herausforderungen zu lösen, um den Einsatz von Quantencomputing für unterschiedlichste Industrieanwendungen sicher und verlässlich zu gestalten.

Was sich jetzt allerdings schon abzeichnet: Aufgrund der Komplexität und der hohen Anforderungen der Hardware werden Quantencomputer klassische Computer eher nicht ersetzen, sondern diese ergänzen. Quantencomputer werden uns helfen, sehr konkrete und spezifische Fragestellungen zu beantworten, bei denen unsere heutigen Supercomputer an ihre Grenzen stoßen. Für die breite Anwendung in der Praxis – auch in der KI – werden traditionelle Rechner jedoch weiterhin relevanter sein.

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Philipp Schleiß
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Künstliche Intelligenz & Machine Learning / Fraunhofer IKS
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