Fahrerlose Transportsysteme
Wie Roboter in Lagern sicher und effizient arbeiten

Eine vom Fraunhofer IKS entwickelte Simulation ebnet den Weg für ein sicheres Zusammenspiel von Robotern und Menschen und das ohne die Effizienz zu beeinträchtigen.

mask Gabelstapler in einem Lagerhaus

Die industrielle Automatisierung hat dazu geführt, dass immer mehr Roboter in heutige Industrieumgebungen integriert werden. Allerdings können (noch) nicht alle Aufgaben von Robotern ausgeführt werden, und es ist nicht immer möglich, automatisierte Maschinen von menschlichen Arbeitern räumlich zu trennen, z. B. durch spezielle Sicherheitskäfige oder -zonen [1].

Wenn sich beispielsweise Personal und fahrerlose Transportsysteme (FTS) zur gleichen Zeit im selben Bereich befinden, lassen sich die Flexibilität der Mitarbeitenden und die Tragkraft der Maschinen effizient nutzen [2]. Normen wie die ISO 3691-4:2020 zielen darauf ab, das Risiko von Mensch-Roboter-Kollisionen zu verringern, indem sie beispielsweise Beschränkungen für die zulässige Höchstgeschwindigkeit von FTS in Abhängigkeit von den potenziellen Gefahren im aktuellen Arbeitsbereich festlegen.

Während von den FTS erwartet wird, dass sie anhalten, wenn sie eine Person in ihrem Fahrweg erkennen, liegt die Hauptverantwortung für die Vermeidung von Kollisionen jedoch weiterhin beim Menschen. In Zusammenarbeit mit Hitachi untersuchten wir die Auswirkungen von Infrastruktursensoren auf die Leistung und Sicherheit automatisierter Gabelstapler, die als FTS für schwere Lasten in gemischten Bereichen eines Lagers eingesetzt werden.

Paper

Conference Paper, 2021

Christian Drabek, Anna Kosmalska, Gereon Weiß, Tasuku Ishigooka, Satoshi Otsuka, Mariko Mizuochi: Safe Interaction of Automated Forklifts and Humans at Blind Corners in a Warehouse with Infrastructure Sensors

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Unübersichtliche Kreuzungen sind kritisch

An einer unübersichtlichen Kreuzung können sich Mensch und FTS nicht sehen, bis sie die Kreuzung betreten. Daher müssen letztere ihre Geschwindigkeit verringern, um genügend Zeit zu haben, den Verkehr auf der Kreuzung zu erkennen und gegebenenfalls zu reagieren. In diesem Fall geht Sicherheit vor Effizienz.

Wenn Waren bewegt werden, können sich außerdem Sichtverhältnisse und die Lage von unübersichtlichen Ecken im Laufe der Zeit ändern. Informationen der Infrastruktursensoren können genutzt werden, um Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, die das Verhalten des FTS dynamisch anpassen. Sensoren funktionieren beispielsweise als eine Art virtuelle Ampel, die es FTS erlaubt, Kreuzungen mit höherer Geschwindigkeit zu queren, wenn kein Mensch in der Nähe ist, und ihnen befiehlt, bei Bedarf langsamer zu fahren oder anzuhalten.

Wenn man sich jedoch auf diese externen Informationen verlässt, birgt das neue Gefahren. Verschiedene mögliche Sicherheitsmaßnahmen und Strategien sind denkbar, um sie während der Laufzeit zu aktivieren. Um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, müssen ihre potenziellen Vorteile und Gefahren untersucht werden.

Sacsa Simulation
Bild

In Lagern können Regale und Waren die Sicht verdecken.

Simulation eines Lagers

Für diese Bewertung haben wir einen Simulationsrahmen für Bewegungen von FTS in Lagern auf der Grundlage von Webots erstellt. Webots verfügt bereits über eine umfangreiche Tool-Bibliothek zur Simulation vieler verschiedener Aspekte von Robotern. So bietet es beispielsweise Kameras zur Emulation der Objekterkennung, Sender und Empfänger für die drahtlose Kommunikation sowie eine Supervisor-API für die Konfiguration und Überwachung von Simulationen während der Laufzeit.

Das Verhalten von Robotern und anderen Anwendungen kann in Form von Controllern implementiert werden. Unser Simulationsrahmen erweitert dies um eine Publish/Subscribe-basierte Kommunikation zwischen Controllern und erleichtert das Einrichten verschiedener Lagerszenarien und die Auswertung von Sicherheitsmaßnahmen.

Der beispielhafte Grundriss eines Lagers wurde manuell modelliert und weitere Grundrisse können schnell erstellt werden. Modelle von menschlichen Arbeitern und Gabelstaplern wurden importiert, mit Aktoren und Sensoren ausgestattet und so programmiert, dass sie einfache Bewegungsaufgaben ausführen. Sie sind nun im Simulationsrahmen als gebrauchsfertige PROTOs verfügbar. So werden wiederverwendbare komplexe Objekte in Webots genannt.

Da wir nicht zu tief in das menschliche Verhalten eintauchen wollten, haben wir virtuelle menschliche Arbeiterinnen und Arbeiter programmiert, die szenariobasierten Wegen folgen. Diese virtuellen Menschen können so eingestellt werden, dass sie den Gabelstaplern ausweichen oder sie ignorieren. Von Menschen gesteuerte Gabelstapler wurden auf ähnliche Weise implementiert. Automatisierte Gabelstapler folgen einem dynamischen Weg, der von einem zentralen Kontrollsystem berechnet wird. Es koordiniert die Bewegung von automatisierten Gabelstaplern auf der Grundlage von Informationen, die von den Gabelstaplern und den Infrastruktursensoren gemeldet werden. Zusätzlich implementiert unser Simulationsrahmen einen Szenario-Controller, der die Batch-Ausführung mehrerer Simulationen mit unterschiedlichen Konfigurationen und Szenarien ermöglicht.

Infrastruktur-Sensoren für sichere, automatisierte Gabelstapler

Weitere Informationen über das Projekt finden Sie auf unserer Website.

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Simulationen bieten die Möglichkeit, frühzeitige Schätzungen verschiedener Metriken eines Systems zu erstellen, ohne dass das gesamte System implementiert werden muss – was wahrscheinlich irrelevante Elemente enthalten und mehr Zeit in Anspruch nehmen würde. Jede Simulation ist jedoch nur ein Modell der realen Welt. Die in der Simulation erzielten Ergebnisse sind nur in dem Kontext gültig, den das verwendete Modell bieten kann. Diese Kontexte können jedoch so gestaltet werden, dass sie den gewünschten Zielen entsprechen.

Bei der Erstellung der Simulation haben wir sorgfältig geprüft, wo das Verhalten in der realen Welt möglicherweise vereinfacht wurde und wie sich das auf die erzielten Ergebnisse auswirken könnte. Die Verwendung eines inkrementellen Ansatzes ermöglichte es uns, unsere Annahmen über das Verhalten des Systems regelmäßig zu testen und zu verifizieren. Das Erweitern und Verändern des Kontexts einer Simulation ist eine gute Möglichkeit, die Zuverlässigkeit der verwendeten Algorithmen zu untersuchen.

Um die Bewegung des FTS zu koordinieren, konnten wir einen Blocksteuerungsalgorithmus [3] wiederverwenden, der ursprünglich für ein automatisiertes Valet-Parken-System implementiert worden war. Nur geringfügige Anpassungen waren notwendig. Die Entwicklung der Simulation ist hier dargestellt.

Entwicklung der Simulation
Bild

Von der Entwicklung des Simulators von abstrakten Fahrzeugbewegungen über generierte Lagerlayouts bis hin zur Simulation von Gabelstaplern und Menschen in einem Lager.

Messung der potenziellen Vorteile und Risiken

Aufgabenzuweisung, Navigation, Wegplanung, Bewegungsplanung [4] und andere Aktionen im Lager beeinflussen die gemessene Leistung des FTS. Um die Auswirkungen der einzelnen Strategien isoliert zu betrachten, wurde eine unübersichtliche Ecke des Lagers ausgewählt und Szenen untersucht, in denen ein Mensch und ein automatisierter Gabelstapler zu ähnlichen Zeiten die Ecke queren wollen.

Die Abstände des Menschen zur Ecke wurden so gewählt, dass Szenen möglich sind, in denen der Mensch vor einem sich schnell bewegenden Gabelstapler oder hinter einem sich langsam bewegenden Gabelstapler kreuzt. Dies ermöglicht eine Abschätzung des Restrisikos für den Menschen, falls der automatisierte Gabelstapler ignoriert wird, und der Auswirkungen auf die Leistung des automatisierten Gabelstaplers. Im Durchschnitt könnten automatisierte Gabelstapler von Infrastruktursensoren profitieren und die Kreuzung mit einer Zeitersparnis von 30 % queren und gleichzeitig alle Kollisionen vermeiden.

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Simulation: Fahrerloser Gabelstapler & Mensch an Kreuzungen

Betrachtet man nur die unübersichtlichen Bereiche, so hat man einen begrenzten Blick auf die verschiedenen Interaktionen in einem Lager. Die erstellte Simulation ermöglicht es, die Strategien für kollaborative automatisierte Gabelstapler in anderen, allgemeineren Lagerszenarien zu untersuchen. Dies ermöglicht auch einen Vergleich von Risiko und Effizienz – ähnlich wie bei den untersuchten Szenen mit unübersichtlichen Kreuzungen – mit der Einschränkung, dass die anderen aufgeführten Faktoren ebenfalls die Ergebnisse beeinflussen. Mehr Varianten des Szenarios müssen daher untersucht werden, um eine unbeabsichtigte Verzerrung zu vermeiden. Dennoch ist dies machbar, da die Ausführung und Variation der Szenarien automatisiert ist.

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Simulation: Fahrerloser Gabelstapler interagiert mit Menschen

Ein vielleicht noch wichtigerer Vorteil der Simulation allgemeiner Interaktionen in einem Lager ist die Entdeckung unvorhergesehener Situationen und Gefahren. Monitore können kritische Situationen in der Simulation identifizieren, die für eine manuelle Untersuchung gekennzeichnet werden können. Die Strategien für eine sichere Zusammenarbeit, die ursprünglich mit Fokus auf Kreuzungen definiert wurden, könnten somit weiter verbessert und verallgemeinert werden, um die Sicherheit überall im Lager zu erhöhen.

Der ausgelegte Simulationsrahmen ermöglicht es uns, Sicherheitskonzepte weiter zu verfeinern und sie mit neuen Ideen zu vergleichen. Außerdem können die Simulationen verwendet werden, um den Nutzen und die Kosten verschiedener Konzepte zu untersuchen und zu optimieren. So können wir beispielsweise bewerten, wie sich verschiedene Infrastruktursensoren und die Integration exklusiver Bereiche in den Grundriss auswirken.

[1] L. Sabattini et al., “The PAN-Robots Project: Advanced Automated Guided Vehicle Systems for Industrial Logistics,” IEEE Robot. Autom. Mag., vol. 25, no. 1, pp. 55–64, Mar. 2018, doi: 10.1109/MRA.2017.2700325.

[2] R. Rey, M. Corzetto, J. A. Cobano, L. Merino, and F. Caballero, “Human-robot co-working system for warehouse automation,” in IEEE ETFA, Sep. 2019, pp. 578–585. doi: 10.1109/ETFA.2019.8869178.

[3] C. Drabek et al., “Dependable and Efficient Cloud-Based Safety-Critical Applications by Example of Automated Valet Parking,” in Intelligent Transport Systems, From Research and Development to the Market Uptake, Cham, 2021, pp. 90–109. doi: 10.1007/978-3-030-71454-3_6.

[4] M. De Ryck, M. Versteyhe, and F. Debrouwere, “Automated guided vehicle systems, state-of-the-art control algorithms and techniques,” J. Manuf. Syst., vol. 54, pp. 152–173, Jan. 2020, doi: 10.1016/j.jmsy.2019.12.002.


Die Forschung, die zu diesen Ergebnissen führte, wurde teilweise vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als Fraunhofer High Performance Center Sichere Intelligente Systeme gefördert.

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Christian Drabek / Fraunhofer IKS
Christian Drabek
Safety Engineering / Fraunhofer IKS
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