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Smart Farming
Digitalisierung ist auf den Feldern bereits angekommen
Der fortschreitende Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien macht die Landwirtschaft nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger und resistenter. Auf einem Online-Seminar des Fraunhofer IKS wurden verschiedene Ansätze und Konzepte des Smart Farming diskutiert.
© iStock.com/i Stockr
Beim Autonomen Fahren denken wohl die meisten Menschen an den Straßenverkehr und eher wenige an die Landwirtschaft. Dabei haben abseits öffentlicher Aufmerksamkeit Digitalisierung, das Internet of Things, Künstliche Intelligenz und damit auch autonome Fahrzeuge Einzug gehalten in den Agrarbereich: Auswertung von Sensordaten, um die Umgebung zu erkennen, gemeinsame Fahrmanöver von vernetzten Fahrzeugen oder auch das sogenannte Platooning: das sind Begriffe, die heute für modernen Ackerbau stehen.
Nachhaltigkeit prägt die moderne Landwirtschaft
Chancen und Herausforderungen dieser Entwicklung standen im Mittelpunkt des Online-Seminars »Von der Straße auf das Feld«, das das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS veranstaltet hat. Ein anschauliches Beispiel für die Chancen der Digitalisierung in der Landwirtschaft lieferte Prof. Dr.-Ing. Peter Pickel, stellvertretender Direktor des JD European Technology Innovation Center beim Landmaschinenhersteller John Deere, in seinem Vortrag. So erkennt die von Professor Pickel vorgestellte Technologie mittels einer Reihe Kameras und mithilfe von Künstlicher Intelligenz Unkraut. Dies ermöglicht eine deutlich präzisere Behandlung, wodurch der Einsatz von Spritzmitteln um insgesamt zwischen 50 und 90 Prozent reduziert werden kann im Vergleich zu herkömmlichen Methoden.
Dieses Anwendungsbeispiel steht für nachhaltige Technologien beziehungsweise präzise und autonome Maschinen, zwei von vier Technologien, die Pickel als »key enabler« bezeichnet. Zu den Motoren des digitalen Wandels in der Landwirtschaft zählt er auch die Elektrifizierung des Antriebs und das Internet of Things. Diese Schlüsseltechnologien sieht John Deere als wesentlich an, um die große Herausforderung des Klimawandels zu bewältigen und gleichzeitig eine verlässliche Lebensmittelproduktion sicherzustellen. Dafür hat das Unternehmen die Leitlinien »Produce more with less« und »Independence« entwickelt, wobei sich zweiteres insbesondere auf zukünftigen Einsatz von Ressourcen bezieht.
Für einen Ausblick in die Zukunft zog Pickel Parallelen zwischen einem Farmmanagement-System und in der Industrie eingesetzten Systemen. Seiner Einschätzung nach werden äquivalente Funktionen zu einem ERP-, MES- sowie einem Process und Control-System in einem Farmmanagement-System zusammengefasst. Im konkreten Arbeitsprozess prognostiziert er eine Zunahme von Kontrollelementen und Sensoren. Diesen gesamten Trend bezeichnet er als vertikale Integration. Dagegen nennt er die komplette Übernahme dieser Prozesse in die Cloud horizontale Integration. Für beides zusammen prägte Pickel den Begriff »Agriculture 4.0«.
Autonomes Fahren: Gefahren gemeinsam erkennen
Im darauffolgenden Vortrag nahm Josef Jiru, am Fraunhofer IKS im Business Development verantwortlich für den Bereich Automotive, die rund 60 Teilnehmer mit vom Feld auf die Straße. Er beleuchtete verschiedene Use Cases des autonomen Fahrens. Anhand des Anwendungsszenarios »Cooperative Perception« wurde deutlich, welche Chancen, aber auch Herausforderungen das vernetzte autonome Fahren mit sich bringt.
So lassen sich durch die gemeinsame Beobachtung des Straßenverkehrs Gefahrensituationen frühzeitig vermeiden. Als Beispiel nennt Jiru ein überholwilliges Auto, dessen Sicht durch Sensorik und Kommunikation des vorfahrenden LKWs erweitert wird. Auf diese Weise können unsichere Überholmanöver bereits vor der Ausführung unterbunden werden. Davon profitieren sogar Verkehrsteilnehmer, die nicht mit Sensoren, sondern ausschließlich mit einer Kommunikationsschnittstelle ausgestattet sind. Entscheidend sind allerdings die Datenqualität und -integrität, wofür eine robuste KI und ein abgesichertes Kommunikationsnetz unabdingbar sind. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn sicherheitsrelevante Entscheidung auf Grundlage dieser Daten getroffen werden.
Konzepte lassen sich auf Smart Farming übertragen
Darüber hinaus nannte Jiru noch das Ausführen von gemeinsamen Fahrmanövern und das »Platooning«, also das gezielte Fahren in Kolonne, als Anwendungsbeispiel. Auch hier müssen Daten verlässlich sein. Eine Besonderheit in diesem Fall ist die vorausgesetzte Prozessüberwachung. Im Mittelpunkt stehen Fragen wie: Was passiert, sollten unerwartete Umstände, wie eine verschlechterte Sicht, eintreffen? Wie gewährleistet man den sicheren Abbruch eines solchen Manövers?
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Hier zog Jiru Parallelen zum Bereich Smart Farming, in dem Schwarmtechnologien und damit gemeinsame Fahrmanöver immer mehr an Bedeutung gewinnen. Auch für die »Cooperative Perception« sieht Jiru Potential im Bereich Smart Farming. So könnte eine Drohne das Feld auf Wildtiere wie Rehe absuchen, bevor durch den anfahrenden Mähdrescher eine Gefahrensituation für die Tiere entsteht.
Jirus Resümee: »Trotz naturgemäßer Unterschiede, kann der Smart-Farming-Bereich stark vom Automotive-Bereich profitieren, und das insbesondere in Hinblick auf Interoperabilität, standardisierte Nachrichtenformate, Safety-Konzepte und Sensortechnik.«
Tests stellen Zuverlässigkeit sicher
Abschließend gab Dr. Chih-Hong Cheng, Abteilungsleiter Safety Assurance for AI am Fraunhofer IKS, Einblicke in die aktuelle Forschung und die Entwicklungen im Testen von autonomen Fahrzeugen. Dabei unterstrich er in Bezug auf den Standard ISO TR 4804, dass es zwingend notwendig sei, neben quantitativen, statistischen Tests auch qualitative Tests zu berücksichtigen. Dies ist beispielsweise möglich durch das Definieren von Äquivalenzklassen oder das Wiederverwenden von Unfallszenarien. Dadurch kann es vermieden werden, die Zuverlässigkeit nur über die Menge an gefahrenen Kilometern zu beweisen.
Qualitative Tests haben dabei zwei Dimensionen. Einmal die Dimension »breadth«, was bedeutet, dass alle Anforderungen mit beispielhaften, aber weniger Szenarien getestet werden, um so die Effizienz zu erhöhen. Die Zweite Dimension »depth« steht dafür, dass aktiv nach Bugs und Systemschwachstellen gesucht wird.
Aus den neuen Anforderungen an Tests leiten sich mehrere Forschungsfragen ab, die das Fraunhofer IKS momentan bearbeitet. So ist es beim »Bug-Hunting« beispielsweise noch offen, wie das technisch genau umgesetzt werden soll. Eine weiter zu klärende Frage lautet, wie man die Operational Design Domain, also dort, wo ein autonomes Fahrzeug sicher funktionieren muss, am besten definiert.
Das große Interesse an der Veranstaltung nimmt das Fraunhofer IKS zum Anlass, die Reihe der Online-Seminare im nächsten Jahr fortzusetzen. Themen und Termine finden Sie hier.