Hohe Rechenleistung
Leicht zugängliches und robustes Quantencomputing

Derzeit verfügbare Quantencomputer sind noch nicht leistungsstark genug, um industriell relevante Probleme im großen Stil lösen zu können. Das könnte sich in den nächsten zehn Jahren grundlegend ändern. Das Fraunhofer IKS arbeitet am robusten und zuverlässigen Einsatz von Quantencomputing-gestützten Lösungen und ermöglicht den leichten Zugang zu den Vorzügen des Quantencomputings, auch für mittelständische Unternehmen.

Eisfläche
mask Eisfläche

Das Potenzial von Quantencomputern ist beeindruckend. So wird vorausgesagt, dass die Rechenkapazitäten von Quantencomputern die heutiger Supercomputer für bestimmte Probleme um Größenordnungen übersteigen. Und dass gegenwärtig noch unlösbare Probleme durch Quantencomputing erstmalig lösbar werden. Beispielsweise könnten sich Moleküle durch Quantencomputing deutlich genauer simulieren lassen als heutzutage möglich. Das wiederum könnte die Entwicklung von Medikamenten oder von neuen Materialien für Batterien deutlich beschleunigen.

Auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) und bei Optimierungsproblemen kann Quantencomputing zu disruptiven Veränderungen führen. Eine Marktanalyse der Boston Consulting Group geht von einer weltweiten Wortschöpfung durch Quantencomputing in den nächsten drei bis fünf Jahren von 5 bis 10 Milliarden Dollar aus. Wie jedoch ist sichergestellt, dass das Potenzial von Quantencomputern vollständig ausgenutzt werden kann, gerade auch von kleineren industriellen Playern ohne große Entwicklungsabteilungen?

Wie unterscheidet sich Quantencomputing von klassischen Systemen?

Während klassische Computer mit Bits arbeiten, die die Werte von 0 oder 1 annehmen können, arbeitet ein Quantencomputer mit sogenannten Quantum Bits (Qubits) und folgt quantenmechanischen Gesetzmäßigkeiten. Ein Qubit ist eine Überlagerung von zwei Zustanden zugleich, die einer 0 und einer 1 entsprechen (Superposition), mit variablen Anteilen an 0 und 1. Durch die probabilistische Eigenschaft eines Quantencomputers sind jedoch die Ergebnisse einer Berechnung nicht genau festgelegt – stattdessen muss die Berechnung auf einem Quantencomputer mehrfach durchgeführt werden, bis das wahrscheinlichste Ergebnis bestimmt werden kann.

Erst durch das Zusammenspiel von mehreren Qubits ist ein Quantencomputer einem klassischen Computer überlegen. So lassen sich durch die Superposition 2 Hoch n Werte in n Qubits darstellen sowie Berechnungen parallelisieren. Durch eine quantenmechanische Verschränkung der Qubits können Qubits miteinander synchronisiert werden, und dadurch auch Berechnungen. Durch diese speziellen Eigenschaften kann ein Quantencomputer für bestimmte Berechnungsprobleme eine deutlich höhere Rechenkapazität aufweisen als aktuell verfügbare klassische Systeme.

Soweit zur Theorie. Allerdings können Unternehmen in der Praxis von diesen theoretischen Vorteilen eines Quantencomputers noch nicht vollständig profitieren. Zum einen verfügen existierende Geräte noch nicht über eine ausreichend große Anzahl an Qubits, die außerdem noch zu fehleranfällig sind. Dies bedeutet insbesondere, dass aktuelle Qubits wegen ihrer quantenmechanischen Eigenschaften sowie aufgrund von Störeinflüssen einen bestimmten Wert nur eine recht beschränkte Zeitdauer halten können. Diese »Noisy Intermediate Scale Quantum (NISQ)«-Geräte sind daher nur zur Lösung von kleineren Problemen geeignet.

Die Entwicklung von verbesserten Quantencomputern mit mehr Qubits und einer besseren Fehlerkorrektur schreitet aber schnell voran, auch dank zahlreicher milliardenschwerer öffentlicher Förderprogramme. Dadurch wird erwartet, dass bereits innerhalb von wenigen Jahren Geräte verfügbar werden, die dann zunehmend größere und somit für Anwendungsfälle in Unternehmen interessantere Probleme berechnen können.

Neben der Hardware-Entwicklung sind umfangreiche Innovationen auf der Software-Seite erforderlich. Hierbei besteht das hauptsächliche Problem für den Anwender, dass jegliche Software-Entwicklung auf Quantencomputern noch sehr hardwarenah erfolgen muss und bislang nur wenige umfassende Lösungen über den gesamten Software-Stack hinweg existieren. Dadurch kann der industrielle Endanwender noch nicht in seiner gewohnten Programmierumgebung einfach und ohne weiteres Vorwissen die Vorzüge des Quantencomputings direkt ausnutzen.

Das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS entwickelt daher zusammen mit Partnern aus Forschung und Industrie im Kontext des Munich Quantum Valley (MQV) Elemente des gesamten Software-Stacks, um dem akademischen und industriellen Endanwender Quantencomputing-gestützte Lösungen leicht zugänglich zu machen und damit robuste Ergebnisse zu erzielen – und das unter einem effizienten Einsatz der Hardware.

Der Endanwender sollte hierfür kein tiefergehendes Vorwissen der zugrunde liegenden Physik oder der hardwarenahen Software-Entwicklung benötigen. Somit können auch insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen – auch ohne große Entwicklungsabteilungen – frühzeitig von den Vorzügen des Quantencomputings profitieren.

Wofür kann Quantencomputing jetzt schon eingesetzt werden?

Bei den zurzeit verfügbaren kleineren NISQ-Geräten kommen vor allem Hybrid-Algorithmen zum Einsatz, die eine Iteration zwischen Quantencomputern und klassischen Computern beinhalten. Somit wird letztlich genau der Teil des Algorithmus auf dem Quantencomputer gerechnet, der auch tatsächlich von der erhöhten Rechenkapazität profitiert. Dabei ist wichtig zu bedenken, dass aktuelle NISQ-Gerate aufgrund noch nicht komplett stabiler Qubits keine »Big-Data«-Maschinen sind. Vielmehr profitieren Probleme mit kleineren Input-Datenmengen und einer hohen Rechenkomplexität vom Einsatz eines Quantencomputers.

Die derzeit für einen Quantencomputer interessanten Probleme umfassen Simulationsaufgaben, Optimierungsprobleme und Maschinelles Lernen. Besonders Simulationsaufgaben können von klassischen Computern häufig nur in unzureichender Genauigkeit gerechnet werden, ziehen aber nicht selten Nutzen aus quantenmechanischen Eigenschaften eines Quantencomputers. Zu dieser Problemklasse zählen beispielsweise die Simulation kleinerer Moleküle, wie in der Pharmaindustrie zur Entwicklung neuartiger Medikamente. Oder die Simulation neuer Materialien in der Chemie zur Schaffung von neuartigen Batterien, zum Beispiel für die E-Mobilität.

Optimierungsprobleme treten in zahlreichen industriellen Fragestellungen auf, etwa in der Logistik, Produktion oder Mobilität. Beispielsweise konnte durch Quantencomputing die Fertigung von Produkten mit vielen einzelnen Komponenten (wie Fahrzeuge) optimiert werden, nämlich dort, wo diese Komponenten in der richtigen Reihenfolge und mit hohen Standards eingebaut werden müssen. Auch Verkehrsoptimierung und die Verteilung von Ladestationen für E-Automobile fallen in diesen Bereich.

Im Maschinellen Lernen ist die Verwendung eines Quantencomputers für viele gewohnte Algorithmen denkbar. Besonders interessant sind hierbei Quantum Convolutional Neural Networks (QCNN), welche gut in der Bilderkennung eingesetzt werden können. Hierbei ist die Idee, dass eine oder mehrere der klassischen Convolutional Layers durch einen Quantum Layer ersetzt werden. In Simulationen wurde gezeigt, dass solche Architekturen zu einer schnelleren Trainingskonvergenz auch bei wenig vorhandenen Trainingsdaten führen können. Daher ist dies ein vielversprechender Ansatz für Situationen, in denen nur wenige Daten vorliegen, aber dennoch ein zuverlässiges Trainingsergebnis erreicht werden muss, wie zum Beispiel in der medizinischen Bilderkennung. Daher arbeitet das Fraunhofer IKS an der Erforschung des Einsatzes von QCNN für die Früherkennung von Tumoren.

Trotz noch kleiner und fehleranfälliger NISQ-Gerate lohnt es sich also, den Einsatz von Quantencomputern im Rahmen von Hybrid-Algorithmen zu erproben, da sowohl Hardware- als auch Software-Entwicklung schnell voranschreiten. Initiativen wie etwa das MQV mit Beteiligung des Fraunhofer IKS werden dafür sorgen, dass die bald zu erwartenden Vorzüge des Quantencomputings auch von kleineren Unternehmen in leicht zugänglicher und robuster Art und Weise vollständig genutzt werden können.


Dieser Beitrag erscheint im »Safe Intelligence Magazin« 2022 des Fraunhofer IKS, das im 2. Quartal veröffentlicht wird. Weitere Themen sind Standardisierung, KI in der Medizintechnik und dateneffizientes Maschinelles Lernen.

Nächster Artikel

Interview mit Jeanette Lorenz
»Unternehmen sollen frühzeitig vom Quantencomputing profitieren«

Hans-Thomas Hengl
Hans-Thomas Hengl
Quantencomputing / Fraunhofer IKS
Quantencomputing