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Interview
»Agile Führungskräfte ziehen agile Mitarbeiter an«
Dr. Sabine Sickinger, Direktorin Organisationsstrategie und Administration des Fraunhofer-Instituts für Kognitive Systeme IKS im Interview: So gelingt dynamische Forschungsarbeit durch agile Projektorganisation.
© iStock.com/armiblue
Hans-Thomas Hengl:
In den vergangenen Jahren ist viel von agilem Projektmanagement die Rede. Das klingt wie ein neues Buzzword von einer amerikanischen Business School ...
Sabine Sickinger:
Es ist natürlich viel mehr als das. Agiles Projektmanagement, was häufig in diesem Zusammenhang zu hören ist, ist ja nur ein Bestandteil von Agilität. Agilität, agiles Arbeiten umfasst ja vor allem auch agiles Führen, umfasst die Organisationskultur, die Organisationsstruktur und bezieht immer die Mitarbeitenden mit ein. Der Mensch steht immer im Mittelpunkt von agilem Arbeiten.
Hans-Thomas Hengl:
Und das war bislang anders?
Sabine Sickinger:
Durchaus. Agilität ist ganz klar als Gegenentwurf zu sehen zu dem bisher bekannten klassischen, hierarchisch strukturierten Arbeiten. Sie hat nichts mehr mit Autorität oder autoritärem Führungsstil zu tun, sondern stellt einen ganz anderen Ansatz dar, um ein Unternehmen zu leiten und um Mitarbeitende zu führen und zu entwickeln.
Hans-Thomas Hengl:
Gibt es dafür konkrete Beispiele?
Sabine Sickinger:
Agilität bezieht sich unter anderem auch auf die Gestaltung von Arbeitsprozessen. Agilität bezeichnet hier die Möglichkeit, Arbeit flexibel zu erledigen, räumlich wie zeitlich. Wenn wir uns anschauen, welche Chancen sich durch virtuelle Besprechungsräume ergeben, dann wird sehr deutlich, wie wir gerade auch in einem Forschungsinstitut agil arbeiten können: Wir ermöglichen beispielsweise jungen Eltern, Beruf und Familie zu vereinbaren. Das heißt, zu den Zeiten und an den Orten zu arbeiten, wo sie es mit ihrem Privatleben gerade vereinbaren können und wollen.
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Hans-Thomas Hengl:
Was heißt also Agilität konkret im Hinblick auf das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS?
Sabine Sickinger:
Agilität betrifft zuallererst die Führungskultur. Wenn wir Mitarbeitende mit und ohne Führungsverantwortung betrachten, dann brauchen wir an beiden Stellen völlig neue Kompetenzen, die im Moment in klassischen, hierarchisch strukturierten Unternehmen nicht in dem Maße gefordert sind ...
Hans-Thomas Hengl:
Welche?
Sabine Sickinger:
Ich denke da insbesondere an das eigenverantwortliche Arbeiten, das selbststrukturierte Arbeiten, an den Mut, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Auch an eine völlig neue Lernkultur, die wir am Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS einführen wollen. Weg von unflexiblen, starren Weiterbildungsplänen, hin zu flexiblen und situationsbezogenen Lernformaten, die sich an den Anforderungen aus den Projekten und den Anforderungen der Mitarbeitenden orientieren. Das heißt: Wir brauchen am Fraunhofer IKS Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Kompetenzen sich durchaus unterscheiden von denen, die in einem klassischen Unternehmen oder in einem althergebrachten Institut notwendig waren.
Hans-Thomas Hengl:
Das hat sicherlich Auswirkungen auf das künftige Recruiting.
Sabine Sickinger:
Natürlich. Das Fraunhofer IKS soll ja auch von der Personalstärke her deutlich wachsen. Das heißt, wir müssen schon am Recruiting-Prozess ansetzen. Es ist ganz wichtig, dass wir Mitarbeiter finden, die zu einem agilen Arbeiten passen, die sich darauf einlassen und die Spaß daran haben. Mit anderen Worten: die von ihrem Mind Set in diese agilen Strukturen passen, die wir aufbauen. Und ich bin davon überzeugt, dass agile Führungskräfte auch agile Mitarbeiter anziehen.
Hans-Thomas Hengl:
Welche Akzente setzt das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS noch im Hinblick auf Agilität?
Sabine Sickinger:
Im Mittelpunkt steht die Organisationsform, also wie wir uns am Fraunhofer IKS organisieren, um an unseren Projekten zu arbeiten, um zu forschen und um mit den Kunden in Kontakt zu treten, mit dem Ziel, deren Probleme zu lösen. Da werden wir völlig neue Wege gehen, weg von klassisch hierarchisch strukturierten Abteilungen, sondern das Institut ganz agil auf Programm- und Projektebene aufbauen. Dabei muss der Programmverantwortliche nicht notwendigerweise auch ein disziplinarisch Vorgesetzter sein, ebenso wenig ein Abteilungsleiter oder eine Abteilungsleiterin.
Das wird sich natürlich auch widerspiegeln in unserem Neubau in Garching. Wir werden dort wegkommen von langen Gängen mit sich abzweigenden Einzelbüros, was nicht wirklich förderlich ist für die Kommunikation. Wir werden da viele offene Bereiche schaffen. Wir werden über Co-Workingspaces nachdenken. Ebenso über verschiedene Angebote, damit jeder zu jeder Zeit für seine Arbeit das findet, was er gerade braucht – mehr Ruhe, mehr Kommunikation, Austausch oder eben Raum für die Arbeiten in virtuellen Kooperationen.