Mobilität der Zukunft – Marktanalyse Teil 1
Autonome Fortbewegung im Unternehmenseinsatz

Bei autonomen Fahrzeugen denkt man meist an selbstfahrende Autos, in denen Menschen nur Passagiere sind. Im Geschäftsumfeld liegt das Potenzial allerdings in der Logistik. Neue Technologien können den Warentransport grundlegend verändern und ihn sicherer und effizienter machen. Ein Überblick über den aktuellen Stand verschiedener autonomer Fahrzeuge in der Industrie.

mask Stau auf der Autobahn

LKWs und Platooning

Über 3,7 Milliarden Tonnen Güter wurden 2019 in Deutschland mit LKWs befördert. Das entspricht rund 80 Prozent der gesamten Beförderungsmenge. Damit sind Lastkraftwagen die mit Abstand am stärksten benutzten Verkehrsmittel im Güterverkehr. Aufgrund dieser hohen wirtschaftlichen Bedeutung für Unternehmen, wird der Markteintritt von autonomen LKWs früher erwartet als der von PKWs.

Insbesondere sogenannte Platooning-Lösungen versprechen große Vorteile: LKWs, die auf der gleichen Strecke unterwegs sind, vernetzten sich mit Unterstützung einer entsprechenden Infrastruktur und über Car-to-Car-Kommunikation (C2C) zu einem Platoon. Der Fahrer des ersten Fahrzeugs gibt die Richtung und das Tempo vor. Die anderen LKWs erhalten in Echtzeit Daten und folgen ihm automatisiert in einem Abstand von 15 bis 21 Metern – deutlich weniger als unter normalen Umständen.

So wird der Windschatten des vorausfahrenden Fahrzeugs optimal genutzt, wodurch Kraftstoff und Emissionen eingespart werden. Wenn tatsächlich nur noch ein Fahrer den kompletten Zug steuern kann, ist diese Transportmöglichkeit für Logistikunternehmen sehr effizient.

Die Technologie dahinter ist schon relativ weit entwickelt, da Platooning zu einem großen Teil auf Assistenzsystemen wie zum Beispiel Tempomaten oder Notbremssystemen basiert, die in Serienfahrzeugen bereits genutzt werden. Daneben spielt die C2C-Kommunikation eine sehr wichtige Rolle. Aktuell können die Vorteile, die sich durch diese Zusammenschlüsse ergeben, aber noch nicht genutzt werden. Die Straßenverkehrsordnung schreibt für Lastkraftwägen auf Autobahnen einen Mindestabstand von 50 Metern vor. Bevor Platoons allgemein eingeführt werden können, sind also rechtliche Änderungen erforderlich.

Autonome mobile Roboter (AMR)

Logistische Prozesse zeichnen sich vor allem durch ihre Komplexität aus: Die benötigte Ware muss zur richtigen Zeit in der richtigen Menge am richtigen Ort ankommen – im Idealfall so kostengünstig wie möglich. Um diese Prozesse zu optimieren und zu automatisieren, werden vermehrt autonome mobile Roboter (AMR) eingesetzt. AMR sind fahrerlose Transportsysteme, die sich in ihrer Umgebung selbstständig bewegen und agieren. Mithilfe von Sensoren und Künstlicher Intelligenz (KI) wählen die Roboter eine Route, weichen Hindernissen automatisch aus, erkennen die entsprechenden Güter und bringen sie an den Zielort.

Vor allem für den Transport von leichten Waren kommen AMR bereits heute vielerorts zum Einsatz. Einer aktuellen Prognose von Research and Markets zufolge wird der Markt in den nächsten Jahren stark wachsen und 2026 ein weltweites Marktvolumen von 58,9 Milliarden Dollar erreichen. Da AMR innerhalb von Privatgeländen zum Einsatz kommen, werden regulatorische Hürden als eher unkritisch gesehen.

Allerdings bestehen technische Herausforderungen: Wenn sich die Umgebung verändert, weil zum Beispiel neue Produkte eingelagert werden, muss derzeit die gesamte Firmware aktualisiert und neu validiert werden. Dieser Prozess kostet Zeit und verursacht Entwicklungskosten. Das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS hat ein Framework namens ResilientSOA entwickelt, damit die Software der fahrerlosen Transportsysteme flexibler aktualisiert und orchestriert werden kann und dennoch zuverlässig und sicher arbeitet. Wie das genau funktioniert, haben wir in diesem Video erklärt.

Agrarmaschinen

Im Gegensatz zum Straßenverkehr ist das autonome Fahren bei Agrarmaschinen in Teilen schon heute Realität. Allerdings bestehen auf Feldern und Wiesen andere Herausforderungen: PKWs auf der Straße können sich an Markierungen orientieren. Agrarmaschinen kommen dagegen in unstrukturierten, dynamischen und offenen Landschaften zum Einsatz. Das erschwert die maschinelle Wahrnehmung.

Zusätzlich stellen unebene Böden, Staub und Matsch eine Herausforderung für optische Sensoren dar. Deshalb müssen autonome Traktoren, Erntemaschinen, Anhänger und Feldroboter mit Infrarot, Mikrowellen und anderer Sensortechnik ausgestattet sein, damit auch Hindernisse erkannt werden, die von hohen Pflanzen verdeckt sind.

Die Maschinen müssen außerdem in der Lage sein, verschiedene Pflanzen zu unterscheiden und deren Reifegrad zu bestimmen. Eine weitere Schwierigkeit stellt die in ländlichen Gebieten oft unzureichende Funkverbindung dar, die zu einem Ausfall der Datenübertragung und dadurch zum frühzeitigen Ausfall der Maschine führen kann. Das Fraunhofer IKS unterstützt Hersteller von Landmaschinen, Agrartechnik oder Agrarsoftware bei der Bewältigung dieser Herausforderungen und entwickelt Lösungen für Smart Farming.

Vollständig autonome Agrarmaschinen sind keine weit entfernte Zukunftstechnologie mehr: Eine Studie des Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE zufolge gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass 2035 völlig autonome und fahrerlose Maschinen im Einsatz sein werden. Allerdings müssen die Maschinen zuerst per Fahrer zum Feld gebracht werden. Die bestehenden regulatorischen Hürden betrachten die Fachleute kritisch, da der derzeitige Stand der Gesetzgebung für den Landmaschinenmarkt sehr komplex und verbesserungsbedürftig sei.


Dieser Beitrag ist der Auftakt zu einer Serie von Artikeln zum Thema »Mobilität der Zukunft«. In den nächsten Wochen folgt: »Autonomes Fahren – Ziel und Wirklichkeit«.

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Christian Drabek / Fraunhofer IKS
Christian Drabek
Safety Engineering / Fraunhofer IKS
Safety Engineering