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Automation
Ein neues Paradigma in der Produktion
Die Produktionstechnologie entwickelt sich stetig weiter und Unternehmen geraten in Zugzwang. Erfahren Sie hier, was sich derzeit in der industriellen Automatisierung ändert und warum es lohnt, sich darauf einzulassen.
© iStock/chinaface
Mit den anhaltenden Modernisierungswellen müssen Unternehmen in der Automatisierung und Produktion schnell reagieren und neue Ideen implementieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Bis vor Kurzem hat das Paradigma der Industrie 4.0 diesen Wandel geleitet, wobei der Schwerpunkt auf der Digitalisierung und Automatisierung der Produktion lag. Viele Unternehmen haben einen Perspektivwechsel vollzogen und konzentrieren sich auf das Gesamtbild: Sie beobachten zunehmend die Rolle der Menschen, die in der Produktionslinie arbeiten und berücksichtigen die Umgebung, in der sie arbeiten. Die Produktion aus dieser ganzheitlicheren Perspektive zu betrachten, kann eine Herausforderung sein, zumal dabei einige traditionelle Vorstellungen von Fertigung in Frage gestellt werden. Doch wie sieht dieser Perspektivenwechsel genau aus?
Veränderter Schwerpunkt
Das Rückgrat der Industrie 4.0 ist die Sammlung und Analyse von Produktionsdaten. Durch die Verfügbarkeit dieser Informationen ist es möglich, fortgeschrittene Techniken einzusetzen, um die Fertigung zu optimieren und fundierte Entscheidungen zu treffen. Ziel ist eine intelligente Fabrik, in der Werkzeuge wie digitale Zwillinge und Modelle der Künstlichen Intelligenz die virtuelle und die reale Welt miteinander verbinden. Diese verbesserte Fertigungsumgebung trägt wiederum dazu bei, die Effizienz zu verbessern und den Umsatz zu maximieren. Dieser neue Wandel in der Fertigung, den die Europäische Union als Industrie 5.0 bezeichnet, baut auf diesen Ideen auf und berücksichtigt die ethischen und menschlichen Aspekte der Fertigung. Einerseits liegt der Schwerpunkt auf der Verringerung der Umweltauswirkungen und der Einführung nachhaltiger Praktiken. Dies kann sich in einer erhöhten Flexibilität, Integration und Resilienz der Produktionsstätten niederschlagen. Andererseits wird die zentrale Rolle des Menschen in Fertigungsprozessen anerkannt, einschließlich der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine sowie der Entwicklung neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Aus unternehmerischer Sicht zeigt die Untersuchung des gesamten Produktionskontexts aus diesem Blickwinkel zusätzliche offene Punkte auf, die zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens angegangen werden müssen. Dennoch kann es überfordernd sein, sich mit diesen vielfältigen Vorgehensweisen auseinanderzusetzen. Daher schlagen wir eine Unterteilung in drei Säulen als Schwerpunkte vor. Wenn man in diese Schwerpunktbereiche investiert, kann man konkrete Ergebnisse erzielen und sicherstellen, dass das eigene Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt ist.
„Flexiliente“ Automatisierung
Die erste Säule, die es zu betrachten gilt, ist die der Flexilient Automation. Dieser Begriff bezieht sich auf Systeme, die gleichzeitig flexibel sind (d. h. sich in Bezug auf neue Anforderungen verändern können), aber auch intelligent (z. B. durch Integration künstlicher Intelligenz) und resilient (d. h. robust gegen Ausfälle). Bei der Flexibilität geht es darum, schnell auf Veränderungen in der Produktion reagieren zu können, z. B., indem Produktvarianten in schneller Folge hergestellt werden können. Intelligenz spiegelt den zunehmenden Einsatz von Maschinellem Lernen zur Lösung komplexer Aufgaben wider, z. B. die Verwendung von LLMs (Large Language Models) als Assistenz bei der Entwicklung von Lösungen oder DNNs (Deep Neural Networks) zur Mustererkennung. Resilienz bedeutet die Anwendung von Strategien zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Produktionslinie, selbst wenn diese durch unvorhersehbare Probleme beeinträchtigt wird, z. B. durch defekte Maschinen oder unerwartete Hindernisse für Roboter.
Investitionen in die Flexilient Automation können ein Unternehmen dazu befähigen, neue Märkte sowie neue Geschäftsmodelle zu erschließen, da sie die Herstellung kleinerer Produktmengen ermöglichen und schnellere Durchlaufzeiten erlauben. Außerdem wird sichergestellt, dass das Produktionsniveau hoch bleibt, da sich die Produktionslinie selbst anpasst, um unvorhergesehene Probleme wie Verzögerungen in der Lieferkette zu meistern.
Zuverlässige, menschenzentrierte Automatisierung
Die zweite Säule ergänzt den Gedanken der Flexibilität und Resilienz. Sie konzentriert sich auf die menschenzentrierte Automatisierung, bei der die menschlichen Fähigkeiten als grundlegender Bestandteil der Fertigung anerkannt und genutzt werden sollen. In der Praxis sind viele Produktionslinien nicht vollständig automatisiert, und die menschliche Einflussnahme ist ein wichtiger Teil des Prozesses. Die Herausforderung besteht somit darin, den Menschen vor allem in die Lage zu versetzen, Entscheidungen zu treffen, die von Maschinen nahtlos und sicher ausgeführt werden. Es ist wichtig zu betonen, dass es hier darum geht, Automatisierung zur Unterstützung des Menschen einzusetzen, um ihn von eintönigen und anstrengenden Arbeiten zu entlasten, und nicht darum, Arbeitende zu ersetzen oder in ihren Arbeiten zu behindern. Da trotz Automatisierung Raum für unzuverlässiges Verhalten bleibt, ist es wichtig, dass menschliche Experten überprüfen können, ob eingesetzte Maschinen wie erwartet arbeiten. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Arbeitenden bestmöglich unterstützt werden können. Eine weitere Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ist auch die Entwicklung von Robotern, die bestimmte Verfahren von menschlichen Experten erlernen und sie später automatisch imitieren können.
Durch die Kombination der Stärken des Menschen (wie z. B. die Fähigkeit zur komplexen Entscheidungsfindung und kreativen Problemlösung) mit den Vorteilen der Automatisierung (wie Skalierbarkeit und Effizienz) lassen sich Kosten erheblich senken und die Produktionsgeschwindigkeit erhöhen. Vor allem aber sorgt die menschliche Beteiligung dafür, dass die Produktqualität hoch bleibt, während die potenzielle Verschwendung von Ressourcen gering bleibt.
Nachhaltigkeit
Die dritte Säule als Schwerpunkt ist die Nachhaltigkeit. Sie ist nicht nur entscheidend für die Reduktion der Umweltauswirkungen in der Produktion, die von großer Bedeutung ist, sondern sie verschlankt auch den Produktionsprozess durch die Verringerung des Ressourcenverbrauchs. Hierfür ist die Optimierung von Fertigungsprozessen durch den Einsatz von Maschinellem Lernen und anderen Techniken der Künstlichen Intelligenz sehr vielversprechend. So kann beispielsweise die Nachhaltigkeit durch die Optimierung der Maschineneinsatzplanung in Betracht gezogen werden, um den Gesamtenergieverbrauch während der Produktion zu minimieren. Ebenso lässt sich die Platzierung der Maschinen in der Fertigung optimieren, um den intralogistischen Aufwand zu minimieren, was wiederum zu weiteren Energieeinsparungen führt. Auf einer höheren Ebene können die Lieferketten umstrukturiert werden, indem die lokale Beschaffung von Materialien Vorrang erhält. Dies steht auch direkt im Zusammenhang mit dem Konzept des digitalen Produktpasses der EU, mit dem sich der gesamte Lebenszyklus eines Produkts verfolgen lässt. Diese Daten geben Aufschluss über die für die Herstellung, das Recycling und die Entsorgung von Produkten erforderlichen Ressourcen. Durch die Nutzung dieser Informationen ist es möglich, die Gesamtumweltauswirkungen dieses Produkts weiter zu verringern.
So schützen Investitionen in die Nachhaltigkeit die Umwelt, kurbeln die lokale Wirtschaft an, fördern die strategische Unabhängigkeit eines Unternehmens (z. B. durch Verringerung der Abhängigkeit von der Lieferkette) und senken die Gesamtproduktionskosten. Außerdem stellen sie sicher, dass ein Unternehmen die aktuellen Produktionsanforderungen erfüllt.
Wo soll man anfangen?
Die Diskussion verdeutlicht, wie wichtig es ist, dieses neue Produktionsparadigma in den Mittelpunkt zu stellen, aber sie lässt auch die Frage offen, in welche Themen zuerst investiert werden soll. Generell können Investitionen in jede dieser Richtungen bereits Vorteile bringen, sodass diese Entscheidung strategisch getroffen werden sollte – je nach den spezifischen Bedürfnissen und Prioritäten eines Unternehmens. Wenn ein Unternehmen beispielsweise die Flexibilität seiner Automatisierungslösungen erhöhen möchte, dann ist es ein guter Ausgangspunkt, in ein Framework zu investieren, das diese Fähigkeiten unterstützt.
Umgekehrt profitiert ein Unternehmen, das die Interaktion zwischen Mensch und Maschine in den Fokus nimmt, in hohem Maße von Investitionen in die erweiterte Betriebssicherheit für seine Produktionssysteme. Alternativ kann ein Unternehmen seine Nachhaltigkeit erhöhen, indem es Maschinelles Lernen oder andere KI-Techniken gezielt für bestimmte Aufgaben einsetzt, um den Einsatz der vorhandenen Ressourcen zu optimieren. Unabhängig von der konkreten Schwerpunktsetzung eines Unternehmens beschäftigt sich das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS mit der Vielzahl von Themen rund um Smart Manufacturing und kann mit seiner Expertise maßgeschneiderte Lösungen für Kunden erarbeiten. Kontaktieren sie uns gerne, wenn Sie Ihre speziellen Herausforderungen diskutieren und herausfinden möchten, wie Sie Kognitive Systeme in Ihrer Produktion einsetzen können.
Diese Arbeit wird vom Bayerischen Ministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie im Rahmen eines Projekts zur Unterstützung der thematischen Entwicklung des Instituts für Kognitive Systeme IKS finanziert.