Safetronic 2025: Preview
Ohne Safety bleiben neue Mobilitätslösungen auf der (Test-)Strecke

Nicht nur Unternehmensberatungen, auch andere wichtige Unternehmen sehen die steigende Bedeutung von Ferngesteuertem Fahren (Remote Driving Systems, RDS) für den Verkehr der Zukunft. Aber ist das Konzept auch sicher genug? Ein umfangreicher zweijähriger Betrieb ohne Sicherheitsfahrer hat die technische Machbarkeit und Sicherheit von RDS bestätigt. Und nicht nur das: Ein umfassender Schulungsrahmen für Fernfahrer hat nachweislich die Leistung und die Sicherheit verbessert.

15. September 2025

Safetronic key visual

Sicherheit (safety) ist ein entscheidender Faktor und ein wichtiger Wegbereiter für die Etablierung und Weiterentwicklung von Ferngesteuertem Fahren (Remote Driving Systems, RDS) als eigenständiges Mobilitätskonzept und praktische Ergänzung zu automatisierten Fahrsystemen. Die Notwendigkeit und Relevanz des Fernfahrens wird auch von strategischen Marktteilnehmern zunehmend betont: Führende Unternehmensberatungen wie McKinsey [1, 2] sehen das Fernfahren nicht nur als vorübergehende Überbrückung der technischen Grenzen automatisierter Systeme, sondern auch als eigenständiges Mobilitätskonzept, beispielsweise im Carsharing oder Ride Hailing. Regulatorische Initiativen wie die deutsche Verordnung über den Betrieb ferngesteuerter Fahrzeuge (StVFernLV) [3] sowie erste Standardisierungen durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), wie beispielsweise BSI Flex 1887 [4], und Forschungsbedarf seitens der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) [5] unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschung und Entwicklung.

Umfassender Fokus auf Sicherheit

Basierend auf mehr als zwei Jahren Praxiserfahrung auf öffentlichen Straßen in städtischen Umgebungen und ohne Sicherheitsfahrer im Fahrzeug konnten wir umfangreiche Erkenntnisse über die technische Machbarkeit und Betriebssicherheit gewinnen. Der Ansatz »human in the loop«, insbesondere der sogenannte Remote Driver (der das Fahrzeug von fern lenkt), hat sich als entscheidender Faktor für die Erweiterung des vorgesehenen zulässigen Betriebsbereichs (Operational Design Domain, ODD) erwiesen. Während automatisierte Systeme naturgemäß auf vordefinierte und validierte ODDs beschränkt sind, ermöglicht das Remote Driving den Einsatz von Fahrzeugen auch in komplexen Szenarien, indem es das menschliche Urteilsvermögen nutzt. In diesem Zusammenhang bietet es einen erheblichen Vorteil gegenüber dem automatisierten Fahren. Dies erhöht die Betriebsverfügbarkeit und beschleunigt den praktischen Einsatz im Vergleich zu rein automatisierten Systemen [6].

Für die Qualifizierung dieser Remote Driver wurde ein systematischer Ansatz für die Ausbildung und Bewertung entwickelt. Dieser gründet auf einer datenbasierten Analyse der Fahrerleistung und dem Nachweis der Eignung des Fahrers. Forschungsergebnisse zeigen signifikante Zusammenhänge zwischen Fahrerfahrung, betrieblicher Effizienz und dem Auftreten sicherheitsrelevanter Vorfälle. Diese Erkenntnisse liefern klare Hinweise für die Ausbildung, Auswahl und kontinuierliche Qualifizierung von Remote Drivers und deren Eignung [7]. Die systematische Analyse von Vorfällen beim Fernfahren im Einsatz bildet die Grundlage für die Weiterentwicklung dieser Technologien. Mit Hilfe eines speziell für Zwecke des Ferngesteuerten Fahrens entwickelten Klassifizierungssystems [8] können sicherheitsrelevante und sicherheitskritische Vorfälle standardisiert und transparent bewertet werden, was als praktisches Instrument für den kontrollierten Einsatz des Fernfahrens im öffentlichen Straßenverkehr dient.

Durch diesen umfassenden Fokus auf Sicherheit, einschließlich der Berücksichtigung gesetzlicher Anforderungen, der Entwicklung eines robusten Sicherheitsmanagementsystems und der systematischen Schulung von Remote Drivers, wird gezeigt, dass das Ferngesteuerte Fahren eine technisch realisierbare und betriebssichere Mobilitätslösung darstellt. Die Präsentation bietet somit einen praktischen, datenbasierten Einblick in aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Perspektiven für das Fernfahren als eigenständige Mobilitätslösung sowie als praktikable Ergänzung zu automatisierten Fahrsystemen.

Wichtige Erkenntnisse für die Teilnehmer:

  1. Fernsteuerung als eigenständiges Mobilitätskonzept: Ferngesteuertes Fahren ist nicht nur eine Übergangslösung für automatisierte Systeme, sondern entwickelt sich zu einer unabhängigen und praktischen Mobilitätsoption, insbesondere für Anwendungsfälle wie Carsharing und Ride Hailing.
  2. Sicherer Betrieb ohne Sicherheitsfahrer im Fahrzeug ist möglich: Zwei Jahre realer Betrieb auf öffentlichen Straßen ohne Sicherheitsfahrer im Fahrzeug belegen die technische Machbarkeit und Betriebssicherheit von Systemen des Fernfahrens.
  3. Remote Driver als Schlüssel zur Erweiterung der ODD: Dank menschlicher Urteilsfähigkeit können Remote Driver komplexe Szenarien bewältigen, die über die Grenzen vordefinierter ODDs hinausgehen – ein entscheidender Vorteil gegenüber automatisierten Systemen.
  4. Datengestützte Qualifizierung und Leistungsbewertung von Remote Drivers: Ein systematischer Schulungs- und Bewertungsansatz zeigt einen starken Zusammenhang zwischen Fahrerfahrung, Betriebseffizienz und Sicherheit. Dies ist entscheidend für die Auswahl, Qualifizierung und kontinuierliche Verbesserung.
  5. Datengestützte Qualifizierung und Leistungsbewertung von Remote Drivers: Ein systematischer Schulungs- und Bewertungsansatz zeigt einen starken Zusammenhang zwischen Fahrerfahrung, Betriebseffizienz und Sicherheit. Dies ist entscheidend für die Auswahl, Qualifizierung und kontinuierliche Verbesserung.
  6. Sicherheitsmanagement als Wegbereiter für neue Mobilität: Durch die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen, die Implementierung eines robusten Sicherheitsmanagementsystems und die Ausbildung qualifizierter Remote Drivers wird gezeigt, dass Fernfahren eine praktikable, sichere und skalierbare Mobilitätslösung ist.

Referenzen:

[1] A. Kelkar, K. Heineke, M. Kellner, and A.-S. Smith, ”RemoteDriving Services: The Next Disruption in Mobility Innovation?“, McKinsey & Company, Jan. 2025.

[2] K. Heineke, M. Kellner, A.-S. Smith, and M. Rebmann, ”Are consumers ready for remote driving?“, McKinsey & Company, Sep. 2024.

[3] Straßenverkehr‑Fernlenk‑Verordnung (StVFernLV) vom 16. Juli 2025 (BGBl. I Nr. 176 vom 25. Juli 2025

[4] BSI Flex 1887: British Standards Institution, BSI Flex 1887: Human Factors for Remote Operation of Vehicles, London, UK, May 2024.

[5] Arbeitsgruppe Forschungsbedarf Teleoperation, Abschlussbericht der Arbeitsgruppe ”Forschungsbedarf Teleoperation“, Sep. 2023.

[6] Hans, Ole, and Benedikt Walter. "ODD design for automated and remote driving systems: A path to remotely backed autonomy." presented at 9th International Conference on Intelligent Transportation Engineering (ICITE 2024).

[7] Hans, Ole, Benedikt Walter, and Jürgen Adamy. "Evaluation of Remote Driver Performance in Urban Environment Operational Design Domains." IEEE Open Journal of Intelligent Transportation Systems, vol. 6, pp. 722–737, 2025.

[8] Hans, Ole, and Jürgen Adamy. ”Learning from Disengagements: An Analysis of Safety Driver Interventions during Remote Driving.“ presented at IEEE Intelligent Vehicles Symposium (IV 2025).

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