Quantencomputing
Schwere Probleme leicht lösen – aber zuverlässig!

Quantencomputing hat immer noch den Ruf einer sehr experimentellen Spitzentechnologie, und doch arbeitet das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS daran, deren immenses Potenzial für die Industrie nutzbar zu machen. Ein Beispiel dafür ist das Projekt QuaST.

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Was haben Post, Müllabfuhr und Ruftaxis gemeinsam? Sie alle müssen Routen planen, um Briefe zuzustellen, Container zu leeren und Passagiere zu befördern. Doch jeder Kilometer kostet CO2, Zeit und Geld. Im Unternehmensalltag sind keine Experimente möglich – die Logistik muss sicher und zuverlässig funktionieren.

Routenplanung, gerade für mehrere Fahrzeuge und hunderte von Knoten, ist ein anspruchsvolles Optimierungsproblem, das klassische Computer nur näherungsweise lösen können. Quantencomputer können hier helfen: Gemeinsam mit klassischen Optimierungsalgorithmen durchkämmen sie die vielen möglichen Pfade viel schneller auf der Suche nach der kürzesten Route. Aber ganz so einfach ist es nicht, die Technologie steckt in den Kinderschuhen und kann nur gemeinsam mit verschiedenen Expertinnen aus Physik, Mathematik und Informatik angewendet werden.

Hybride Lösungen sollen es richten

Im Forschungsprojekt QuaST (»Quantum-enabling Services & Tools for Industrial Applications «), versuchen die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IKS, diese Barriere zu verkleinern. Dazu testen sie verschiedene hybride Lösungsmethoden mit Quanten- und klassischer Hardware. In ständigem Austausch mit wissenschaftlichen Partnern wie dem Fraunhofer IIS, Quantencomputing-Unternehmen wie parityQC und industriellen Endanwendern wie Infineon entsteht dabei ein Entscheidungsbaum, der schließlich als Wegweiser durch den Dschungel an Lösungsmöglichkeiten dient. So soll für jeden Anwendungsfall die beste Methode gefunden werden, ohne sie jedes Mal in jahrelanger Handarbeit zusammensetzen zu müssen.

Weitere Informationen dazu im Paper »Recommending Solution Paths for Solving Optimization Problems with Quantum Computing« von Benedikt Poggel, Nils Quetschlich, Lukas Burgholzer, Robert Wille, Jeanette Miriam Lorenz.

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Damit das automatisch funktioniert, müssen viele Tools zusammenarbeiten und integriert werden: Am Anfang steht die mathematische Formulierung, die aus einem Anwendungsfall (»Wie sorge ich dafür, dass ich mit möglichst wenigen Fahrzeugen alle Altglascontainer in München rechtzeitig leere?«) ein konkret definiertes Optimierungsproblem macht. Das ist in diesem Fall z. B. das Problem der Handlungsreisenden. Ein hybrider Algorithmus soll also herausfinden, welche Route eine vorgegebene Anzahl an Stationen auf dem kürzesten Weg verbindet.

Um die verschiedenen Technologien optimal auszunutzen, wird das Problem dann in Teile zerlegt, von denen manche einen Quantencomputer benötigen und andere ganz traditionell z. B. mit einem Supercomputer gelöst werden können. Doch der Quantencomputer weiß jetzt immer noch nicht, was er eigentlich berechnen soll: Er braucht das Problem zunächst in ein Quantensystem kodiert, und muss außerdem wissen, welchen Algorithmus aus den vielen möglichen er ausführen soll.

Zu allem Überfluss haben verschiedene Hardware-Technologien unterschiedliche Stärken und Schwächen. Supraleitende Qubits zum Beispiel sind zwar relativ stabil, aber in großen Mengen schwierig miteinander zu verbinden. Einzelne Ionen lassen sich in beliebigen Kombinationen verschalten, es dauert aber viel länger, Operationen mit ihnen durchzuführen. Diese Eigenschaften wirken sich auf den gesamten Entscheidungsbaum aus, was dessen Automatisierung extrem komplex macht.

Neue Methoden für effiziente Routenplanung

Gemeinsam mit Infineon haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IKS das Problem der effizienten Routenplanung genauer betrachtet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden konzentrieren sie sich dabei auf anwendungsorientierte Messgrößen, anhand derer der Erfolg oder Misserfolg eines Algorithmus beurteilt werden kann. Denn schlussendlich sind nicht die Quantenenergien interessant, sondern wie lang die errechneten Routen nun sind.

Mehr über Quantencomputing-gestützte Lösungen von Optimierungsproblemen lesen Sie im Paper »Quantum-Assisted Solution Paths for the Capacitated Vehicle Routing Problem« von Lilly Palackal, Benedikt Poggel, Matthias Wulff, Hans Ehm, Jeanette Miriam Lorenz, Christian B. Mendl.

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Dabei stellt sich heraus, dass man viele Stellschrauben richtig einstellen muss, um sinnvolle Ergebnisse zu erhalten: Für viele der getesteten Algorithmen ist es schon nicht einfach, gültige Lösungen zu erzeugen: solche, die in der Realität umgesetzt werden können und nicht z. B. fordern, dass ein Fahrzeug zur gleichen
Zeit zwei Container ansteuert.

Den Routenplaner beim Entsorgungsunternehmen kümmert all das wenig: Er will seinen Fahrerinnen nur schnell und zuverlässig ihren Fahrplan geben können. Deshalb entwickelt das QuaST-Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer IKS ein Framework, das auf der Basis von anwendungsbezogenen Messgrößen den Vergleich verschiedener Lösungsmethoden ermöglicht. Damit die Endanwender der Lösung trotz Maskierung der zugrundeliegenden technischen Details vertrauen können, untersuchen wir parallel dazu die Frage, wie deren Sicherheit und Zuverlässigkeit trotz experimenteller und theoretischer Unsicherheiten garantiert werden können.



Dieses Vorhaben wird im Rahmen des Projekts QuaST (Quantum-enabling services & tools for industrial applications) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

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Jeanette Miriam Lorenz
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Quantencomputing / Fraunhofer IKS
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