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Interview mit Jeanette Lorenz
»Eine Quanten-gestützte Lösung aus unterschiedlichen Komponenten zusammenbauen«
Seit zwei Jahren arbeiten das Fraunhofer IKS sowie fünf Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen im Projekt QuaST (Quantum-enabling Services und Tools für industrielle Anwendungen). Dem Ziel, kleinen und großen Unternehmen Quantencomputing unkompliziert zugänglich zu machen, sind die Projektpartner einen großen Schritt nähergekommen, so die Zwischenbilanz von PD Dr. habil Jeanette Lorenz.
© iStock/Peter Hansen
H. T. Hengl:
Das Projekt QuaST läuft seit Anfang 2022. Wie bewertest Du die ersten Ergebnisse?
PD Dr. habil. Jeanette Miriam Lorenz:
Bei QuaST läuft es sehr gut, das hat ja das große Meilenstein-Meeting im Sommer gezeigt. In jedem Arbeitspaket haben die Projektpartner erste Prototypen entwickelt, die zum Teil auf Quantencomputing basieren. Diese werden jetzt in den eigens definierten Anwendungsfällen eingesetzt, aber auch auf andere im Projekt festgelegten Nutzungsszenarien angewandt. Davon gibt es eine ganze Reihe.
H. T. Hengl:
Welche zum Beispiel?
PD Dr. habil. Jeanette Miriam Lorenz:
Ein wichtiger Bereich ist die Logistik. Hier forschen wir an der Optimierung von Fahrtwegen in der Abfallentsorgung. In der Produktion geht es darum, verschiedene Maschinen entsprechend ihrer Auslastung besser aufeinander abzustimmen. Wir arbeiten aber auch an verschiedenen Fragestellungen der Netzwerkoptimierung, etwa in der Energieversorgung sowie an der Optimierung betriebswirtschaftlicher Analysen. Ein weiteres Beispiel ist die Softwareverifikation, also zu prüfen, ob Software fehlerfrei ist.
H. T. Hengl:
Könntest Du zwei Beispiele näher erläutern?
PD Dr. habil. Jeanette Miriam Lorenz:
Gerne, nehmen wir die Logistik, in unserem konkreten Anwendungsfall in der Abfallentsorgung. Müllcontainer werden idealerweise dann abtransportiert, wenn sie voll sind. Das lässt sich an Sensoren automatisiert ablesen. So werden unnötige Fahrten, etwa zu halbleeren Containern vermieden, es bleiben aber auch keine überfüllten Container länger stehen.
H. T. Hengl:
Das klingt jetzt erst einmal nach Alltagsgeschäft, für das man keinen Quantencomputer braucht.
PD Dr. habil. Jeanette Miriam Lorenz:
Ja, das hört sich einfach an, aber dahinter steckt ein kompliziertes mathematisches Problem. Bei drei Containern ist das sicher kein Thema. Aber in der Realität haben wir es mit tausenden von Müllcontainern zu tun, und da wird es sehr schnell sehr aufwändig, weil sich unmittelbar sehr viele Möglichkeiten ergeben, ob und in welcher Reihenfolge die Container angefahren werden könnten. Perspektivisch können Quantencomputer effizienter eine Lösung vorschlagen, daran forschen wir im Projekt.
H. T. Hengl:
Und das zweite Beispiel?
PD Dr. habil. Jeanette Miriam Lorenz:
Die Netzwerkoptimierung, und zwar im Hinblick auf die Stabilität von Stromnetzen. Die grundsätzliche Herausforderung besteht darin, dass unterschiedliche Arten der Stromerzeugung, deren Anbieter noch dazu geografisch breit verteilt sind, in einem Netz zusammenkommen. Trotzdem muss das Netz stabil bleiben, was in dieser Konstellation durchaus eine Herausforderung ist. Die Frage lautet: Wann muss man Stromerzeuger aufschalten, oder unter Umständen auch abschalten, um das Netz stabil zu halten.
H. T. Hengl:
Lässt sich denn an diesen beiden Beispielen die besondere Leistungsfähigkeit von Quantencomputing ablesen oder anders gefragt: Was hat Quantencomputing, was herkömmliches Hochleistungscomputing nicht hat?
PD Dr. habil. Jeanette Miriam Lorenz:
Quantencomputing dient dazu, mathematisch komplexe Probleme effizienter als mit aktuellen Methoden der Datenverarbeitung zu lösen. Es geht eben nicht, wie häufig fälschlicherweise angenommen, um größere Datenmengen, die verarbeitet werden können. Aktuelle Quantencomputer sind noch zu klein und zu fehleranfällig, als dass die komplette Berechnung auf ihnen stattfinden könnte. Deshalb erforschen wir quanten-klassische Lösungen, wo jeweils die Rechner an den Lösungsteilen arbeiten, für die sie besonders gut geeignet sind.
H. T. Hengl:
Das Ziel des Projekts war und ist, Unternehmen jeder Größe einen unkomplizierten Zugang zum Quantencomputing zu ermöglichen. Was habt Ihr in dieser Hinsicht erreicht?
PD Dr. habil. Jeanette Miriam Lorenz:
Im Projekt werden unterschiedliche Anwendungsfälle erforscht. Für jeden davon erstellen die zuständigen Projektpartner einen Vorschlag für einen automatisierten Lösungspfad. Das wird dann auf andere Anwendungsfälle übertragen. Am Ende sollte eine Landkarte aus verschiedenen Anwendungsfällen und Lösungspfaden entstehen, aus der hervorgeht, wie ein Unternehmen eine Quanten-gestützte Lösung aus unterschiedlichen Komponenten zusammenbauen kann. Das ist für ein Unternehmen schon eine deutliche Erleichterung, weil es nicht mehr nötig ist, einen Experten oder eine Expertin im Haus zu haben, die sich mit den Details von Quantenalgorithmen beschäftigt.
H. T. Hengl:
Welche Ziele hast Du Dir für den Endspurt bis zum Ende des Jahres 2024 gesteckt?
PD Dr. habil. Jeanette Miriam Lorenz:
Aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit unter den Projektpartnern können nun die Anwendungsfälle mit den methodischen Arbeiten gut kombiniert werden. Als Konsortialführer werden wir vom Fraunhofer IKS dafür sorgen, dass dieses Zusammenspiel funktioniert.
QuaST wird bis Ende 2024 abgeschlossen sein. In dieser Woche veranstaltet das Bundeswirtschaftsministerium einen Vernetzungs-Workshop zum Technologieprogramm Quantencomputing – Anwendungen für die Wirtschaft. Es geht dabei zum einen darum, sich mit anderen Quantencomputing-Projekten auszutauschen, etwa zu Benchmarking, Geschäftsmodellen, Verwertung, aber auch zu Öffentlichkeitsarbeit und Demonstratoren. Zum anderen berichtet das Fraunhofer IKS aus dem QuaST-Projekt zum Thema: »Wie können Werkzeuge und Methoden die Nutzung von Quantenrechnern erleichtern«.