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Umweltdaten
KI hilft Smart Cities in die Spur
Auf dem Weg zur »Smart City« sollen Sensoren auch Daten zu Luftqualität, Verkehrsaufkommen und Co. sammeln – und langfristig für ein schnelleres Vorankommen und sauberere Luft sorgen. Das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS bietet die nötigen Technologien für einen sicheren Betrieb der Künstlichen Intelligenz (KI) und gibt Städten und Gemeinden über ein Framework »Starthilfe«.
© iStock.com/Mirek Kijewski
Nachhaltigkeit und höhere Lebensqualität – dies sind die großen Ziele der »Smart City«. Dazu gehören auch Intelligente Verkehrssysteme: Sie bieten das Potenzial, den Verkehrsfluss sowie die Schadstoffemissionen innerhalb einer Stadt deutlich zu verbessern, etwa über Daten, die von Sensoren an verschiedenen Standorten gesammelt und in Echtzeit ausgewertet werden und Ampeln, Fahrspursignale sowie digitale Schilder optimal steuern.
Nun mag die intelligente Stadt samt intelligentem Verkehrsfluss den meisten Menschen noch recht weit von der Realität entfernt zu sein. Wie stark sich die Mobilität jedoch bereits verändert, zeigt ein Blick zur Internationalen Automesse IAA Mobility 2021: Ursprünglich eine reine Autoshow, bekamen Besucher in diesem Jahr vor allem Technologien rund um die Mobilität von morgen zu sehen. Verbrennungsmotoren fanden sich kaum, dafür umso mehr Elektroautos, E-Fahrräder, Elektroroller sowie Technologien zum autonomen Fahren.
Umweltdaten bilden die Basis
Die Basis für eine intelligente Verkehrssteuerung bilden Umweltdaten, etwa zu Luftverschmutzung oder Staus. Die Relevanz solcher Daten zeigt sich unter anderem im Projekt »Digitale europäische urbane Echtzeit-Umweltdaten und SMART Section Traffic Control System (DEUS_SmartAir)«, das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert wird. Unter den elf Projektpartnern befindet sich unter anderem auch das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI aus Dresden. Das Ziel des europaweit größten Forschungsprojekts zu Umweltdaten: Daten zur Luftqualität in Städten sollen engmaschig ausgewertet und basierend darauf gezielte Gegenmaßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität getroffen werden – etwa eine angepasste Verkehrsplanung, auch »smart section traffic control« genannt.
Vorteile und Anwendungen dafür gibt es viele: Ist beispielsweise die Luftqualität in einer Straße sehr schlecht, kann das Routing über eine andere Straße realisiert werden. Ampelphasen können an den Verkehr angepasst, zusätzliche Fahrstreifen bedarfsgerecht freigeschaltet und Geschwindigkeitsbegrenzungen an Verkehr und Wetterlage angepasst werden. »Basierend auf einem weltweiten Patent kombinieren wir modulare stationäre Sensoren und mobile Sensoren – etwa auf Lieferfahrzeugen – um die Umweltbelastung im urbanen Raum in Echtzeit erfassen zu können«, erläutert Marc Nodorft, Leiter des Projekts DEUS Smart Air. Langfristig soll ein KI-gestütztes Echtzeit-Prognosesystem aufgebaut werden, das die Schadstoffbelastung innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums vorhersagen soll. Schließlich ist die KI, also die Künstliche Intelligenz, ein wahrer Meister darin, Muster in solchen Datenmengen zu erkennen.
Künstliche Intelligenz: Gut geeignet, jedoch nicht frei von Fehlern
So gut sich die Künstliche Intelligenz dafür auch eignen mag: Frei von Fehlern ist sie nicht. »Wie gut die Ergebnisse des Maschinellen Lernens sind, hängt stark von den Daten ab, mit denen diese Systeme angelernt werden«, weiß Marta Grobelna, Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS. So müssen beispielsweise möglichst viele verschiedene Verkehrssituationen abgedeckt werden, auch die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer müssen dem System bekannt sein. »Der Gasnotdienst darf beispielsweise nicht mit Krankenwagen verwechselt werden«, konkretisiert Grobelna. Dazu kommt: Künstliche Intelligenz ist sehr komplex – sie gleicht einer Black Box, bei der man nicht genau nachvollziehen kann, wie sie zu ihrem Ergebnis gelangt.
»Vor allem besteht das Problem des offenen Kontextes: Wenn ich automatisiert in den Straßenverkehr eingreife, kann es sein, dass ich mir indirekt Sicherheitsrisiken einkaufe«, sagt Philipp Schleiß, Leiter der Abteilung »System Safety Engineering« am Fraunhofer IKS. Denn das Automatisieren gewisser Entscheidungen kann dazu führen, dass der Mensch diese als irrational wahrnimmt – es entsteht eine Dilemma-Situation. Schaltet beispielsweise eine Ampel auf unfaire Art und Weise, kann dies Verkehrsteilnehmer dazu bringen, die Verkehrsregeln zu übertreten. Hier gilt es, eine gut austarierte Balance zwischen Fairness und Verkehrsfluss zu finden. »Die Frage ist: Wie viel Entscheidungshoheit können wir dem Menschen über die Künstliche Intelligenz entziehen?«, sagt Schleiß.
Hilfe für Städte und Gemeinden
Für Städte und Gemeinden, die erste oder auch weitere Schritte in Richtung der intelligenten Verkehrssysteme gehen möchten, liegen die brennenden Fragen zunächst auf einer anwendungsorientierteren Ebene. Welche Sensoren sollen eingesetzt werden – und was soll mit ihrem Einsatz erreicht werden? Welche Konsequenzen folgen daraus: Erhöht sich beispielsweise die Komplexität? Und: Welche negativen Implikationen könnten damit einhergehen? Das Fraunhofer IKS forscht an diesen Themen und gibt Städten und Gemeinden eine Methodik an die Hand, um Unsicherheitsquellen in komplexen intelligenten Systemen zu identifizieren und das Thema Fairness bewerten zu können. »Mit den von uns entwickelten Frameworks können sich Anwender dem Thema der intelligenten Verkehrssysteme auf strukturierte Weise nähern – und zu einer Lösung finden, die bestimmte negative Implikationen ausschließt«, verdeutlicht Schleiß.
Möglich macht es die Systemarchitekturanalyse SUDA, mit dem die Forscherinnen und Forscher die Systemarchitektur in vier Schritte aufteilen. Das »S« steht für »Sense« und damit für die Sensoren – sie können Ungenauigkeiten aufweisen. Das Forscherteam listet daher für jeden Sensor unabhängig die Schwachstellen und schaut, welche Auswirkungen diese haben können. Dies kann für jede Stadt sehr speziell sein. Das »U«, kurz für »Understand«, umfasst die Künstliche Intelligenz für die Dateninterpretation: Durch Blackbox-Verhalten kann es sein, dass etwas falsch interpretiert wird, vor allem bei Kameras. Das »D« kommt vom Wort »Decide«: Wie wird das globale Optimum definiert? Schließlich hat der einzelne Verkehrsteilnehmer, der schnell nach Hause kommen will, einen anderen Blickwinkel darauf, was er als optimal empfindet, als die Stadt, die vor allem an Knotenpunkten die Belastung mit Stickoxiden reduzieren möchte. Das »A« wiederum steht für »Act«, also für die Ausführung. So könnte das Verhalten der Verkehrsteilnehmer aus dem Ruder laufen. Wie verhält sich der Mensch? Gibt es verschiedene Straßenführungen, die zu einem kompletten Stillstand führen?
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Eine weitere Methode, an deren Entwicklung Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IKS beteiligt waren, ist das »Safer Complex System Framework«. »Dieses Framework analysiert komplexe Systeme und untersucht, wie dort systematische Fehler entstehen können«, erläutert Schleiß. »Dazu gehören einerseits Themen aus dem Software-Design, andererseits Fragestellungen aus der Betriebszeit.« Das Fraunhofer IKS bietet Städten und Gemeinden somit passgenaue Technologien, um die intelligente Verkehrsführung und die Smart City Realität werden zu lassen.