Auszeichnung
Hybride Quantenalgorithmen: Funktionieren klassische Optimierungsalgorithmen besser mit »Quanten-Landkarten«?

Mit dem Quantum Future Award des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt wurde eine Masterarbeit ausgezeichnet, die am Fraunhofer IKS und der Technischen Universität München entstand. Die Abschlussarbeit geht der Frage nach, wie herkömmliche Computer und Quantenrechner sinnvoll zusammenarbeiten können, um Probleme schneller zu lösen.

17. Dezember 2025

I Stock 1393513219 Bartlomiej Wroblewski
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Quantencomputer sollen uns in Zukunft helfen, Probleme zu lösen, wo klassische Verfahren an ihre Grenzen stoßen. Dabei geht es z. B. um genauere Simulationen von Molekülen in der Quantenchemie, das Design neuer Materialien, oder die Optimierung von Lieferketten und Produktionsabläufen. Ein besonders intensiv erforschter Vorschlag, wie das gelingen kann, sind variationelle Quantenalgorithmen.

Adelina Bärligea, ehemalige Masterandin am Fraunhofer-Institut für Kognitive System IKS, erklärt sie so: »Man kann sich einen Autofahrer vorstellen, der möglichst schnell zum Ziel möchte und dafür eine besondere Landkarte benutzt. Der Fahrer steht dabei für den klassischen Rechner, doch seine Navigation erfolgt über eine ›Quanten-Landkarte‹, die viele mögliche Routen gleichzeitig abbilden kann«. Technisch bedeutet das: Ein Quantenprozessor liefert Informationen über ein Problem, während ein klassischer Optimierer diese Informationen nutzt, um die bestmögliche Lösung anzusteuern. Zum Beispiel wenn es darum geht, den kürzesten Weg für einen Lieferservice zu finden. Weil sich dabei Quanten- und klassische Ressourcen ergänzen, spricht man von hybriden Algorithmen.

Das zentrale Problem: Die »Quanten-Landkarte« ist nie ganz scharf

Für die Ergebnisse ihrer Masterarbeit wurde Adelina Bärligea mit dem Quantum Future Award ausgezeichnet, der vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt verliehen wird. In ihrer Arbeit am Fraunhofer IKS untersuchte sie, unter welchen Bedingungen die Zusammenarbeit von herkömmlichen Computern und Quantenrechnern überhaupt funktionieren kann. Denn ein zentrales Problem liegt darin, dass die oben genannte »Quanten-Landkarte « zwar viele Vorteile bietet – sie kann gewissermaßen alle möglichen Routen gleichzeitig ausloten –, aber sie erlaubt keine exakte Positionsbestimmung. Nach den Regeln der Quantenmechanik erhält man Informationen über die Position nur durch Messungen, und jede einzelne Messung liefert dabei nur eine statistische Schätzung. Selbst wenn man dieselbe Quantenberechnung viele Male hintereinander ausführt, bleibt eine gewisse zufällige Schwankung bestehen. Diese unvermeidliche statistische Unschärfe nennt man auch »finite sampling noise«. Sie tritt selbst auf einem perfekten, vollständig fehlerkorrigierten Quantencomputer auf.

Adelina Baerligea
Bild

Adelina Baerligea wurde für ihre Masterarbeit mit dem Quantum Future Award des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt ausgezeichnet.

Anschaulich bedeutet das: Der Fahrer blickt immer wieder auf seine Landkarte, doch anstatt eines klaren GPS-Signals bekommt er jedes Mal nur einen leicht verschwommenen Schnappschuss. Mit solchen ungenauen Informationen muss der klassische Optimierer dennoch entscheiden, wie er weiterfährt.

Wann wird das statistische Rauschen zu stark?

Aber: Wie viel Unschärfe vertragen hybride Quantenalgorithmen? Um diese Frage zu beantworten, erzeugte die Arbeit zunächst eine »ideale« Quanten-Landkarte und fügte ihr anschließend kontrollierte Mengen statistischer Unschärfe hinzu. Auf diese Weise ließ sich systematisch untersuchen, wie genau die Quanten-Landkarte sein muss, damit der klassische »Autofahrer« noch zuverlässig navigieren und sein Ziel finden kann. Das Ergebnis: Ab einer bestimmten kritischen Rauschstärke bricht die Erfolgswahrscheinlichkeit schlagartig ein. Und diese Schwelle verschiebt sich mit wachsender Problemgröße immer weiter nach unten. Kleine Probleme lassen sich also noch gut lösen, doch schon bei moderaten Größen wird die Karte so unscharf, dass der Fahrer praktisch blind fährt.

Die berechneten Rauschschwellen lassen sich außerdem in konkrete Ressourcenanforderungen übersetzen. Damit wird quantifizierbar, wie stark der Aufwand an Messungen mit der Problemgröße wächst, und wie schnell hybride Algorithmen dadurch an ihre Grenzen stoßen. Das Resultat ist ernüchternd: Für realistische Problemgrößen wäre die benötigte Zahl an Messungen so hoch, dass eine rein klassische Lösung nicht nur effizienter, sondern insgesamt sinnvoller wäre.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Diese Ergebnisse zeigen: Viele der heute diskutierten variationellen Ansätze scheitern nicht erst an Hardwarefehlern – mit denen aktuelle Quantencomputer ohnehin noch zu kämpfen haben –, sondern bereits an der unvermeidbaren statistischen Unschärfe von Quantenmessungen. Der Autofahrer kommt mit der Quanten-Landkarte also nicht so leicht ans Ziel wie oft erhofft.

Neben dieser ernüchternden Diagnose liefert die Arbeit aber auch ein wichtiges Werkzeug: eine statistisch fundierte Methodik, mit der sich künftig beliebige hybride Algorithmen auf ihre Tragfähigkeit und Skalierbarkeit testen lassen. Sie macht es möglich, frühzeitig und praxisnah zu erkennen, welche Formen der Zusammenarbeit zwischen klassischen und Quantencomputern wirklich Aussicht auf Erfolg haben. In Zeiten immer leistungsfähigerer Quantenhardware wird genau diese Frage immer drängender: Welche Algorithmen können mitwachsen, und welche nicht?

Die ausgezeichnete Masterarbeit bringt uns der Antwort ein Stück näher. Sie lenkt den Blick darauf, welche Eigenschaften die künftige Kombination aus Hardware, Algorithmus und Anwendung besitzen muss, um eines Tages einen echten industriellen und gesellschaftlichen Nutzen zu erzielen.

PD Dr. habil Jeanette Miriam Lorenz, Abteilungsleiterin Quantencomputing am Fraunhofer IKS, freut sich über die Auszeichnung für Adelina Bärligea und gratuliert ihr besonders herzlich: »Gleichzeitig ist der Quantum Future Award auch eine Anerkennung der Forschungsarbeit des gesamten Teams. Ein wirklich erfreulicher Abschluss des Quantenjahres 2025

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