Medizintechnik
Künstliche Intelligenz in der Medizin von A bis Z: Teil 2

Kann Künstliche Intelligenz (KI) das Risiko einer Psychose vorhersagen? Und beschleunigt Machine Learning die Entwicklung von Medikamenten? In diesem Blog-Beitrag haben wir interessante Fakten zu KI in der Medizin zusammengestellt. In Teil 2 finden Sie Informationen von N wie Neurologie bis Z wie Zulassung.

mask Ärztinnen betrachten medizinsche Daten am Rechner

Neurologie

Alzheimer ist die häufigste Form von Demenz. Die Hirnerkrankung ist nicht heilbar und führt zu Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Desorientierung. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto größer stehen die Chancen, den Verlauf mittels Medikamenten zu verzögern. Veränderungen im Hirnstoffwechsel deuten frühzeitig auf Alzheimer-Erkrankungen hin. Allerdings sind sie oft schwer zu erkennen. Algorithmen, die mit Datensätzen von Hirn-Scans trainiert wurden, können diese Vorzeichen deutlich früher identifizieren als Ärztinnen und Ärzte, wodurch wertvolle Jahre für die Therapie gewonnen werden.

Operationen

Sensoren und Software kommen nicht nur in Industrieanlagen oder Fahrzeugen zum Einsatz, auch chirurgische Instrumente werden zunehmend intelligenter: Bei Operationen unter dem Mikroskop kann ein falscher Schnitt in einem Bereich, der dünner ist als ein menschliches Haar, zu schwerwiegenden Folgen führen. Heutzutage gibt es haptische Werkzeuge, die das Zittern der Hände des Chirurgen unterdrücken und so für einen stabilen Schnitt sorgen. Auch die Abläufe von OPs werden mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) optimiert: Während eines Eingriffs können Operierende per Sprach- oder Gestensteuerung Informationen anfordern, wodurch Unterbrechungen vermieden werden.

Personalisierte Therapien

Die gleiche Krankheit verläuft bei verschiedenen Menschen häufig sehr unterschiedlich. Deshalb sind Therapien sinnvoll, die persönlich auf die jeweiligen Patientinnen und Patienten zugeschnitten sind. Computermodelle können dem Fachpersonal dabei helfen, passgenaue Entscheidungen zu treffen. Unter anderem bei Schlaganfällen könnten diese Modelle bald angewendet werden. Liegt ein Schlaganfall länger als sechs Stunden zurück, kommen Therapiemaßnahmen wie Blutverdünner standardmäßig nicht mehr zum Einsatz, da das Risiko der Behandlung höher als deren Nutzen eingeschätzt wird. Die Modelle können bei der Therapiewahl unterstützen, indem sie individuelle Faktoren analysieren und für jeden Fall abwägen, ob Maßnahmen sinnvoll sind.

Quantencomputing

Quantencomputer sollen bald Probleme lösen können, mit denen heutige Hochleistungsrechner überfordert sind. Auch für die Medizin ergeben sich daraus vielversprechende Einsatzpotenziale. In einem Verbundprojekt mit dem Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München untersucht das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS, wie Quantencomputing und KI ür eine intelligente Diagnostik und Gesundheitsversorgung angewendet werden können. Der Fokus des Projekts liegt auf der Früh- und Verlaufsdiagnostik von Hirntumoren. Außerdem befassen sich die Forscherinnen und Forscher damit, wie medizinische Entscheidungsprozesse durch eine integrierte Betrachtung von Bilddaten und weiteren Daten verbessert werden können.

Roboter in der Pflege

Geriatronik beschreibt den Einsatz von Robotik und maschineller Intelligenz in der medizinischen Versorgung älterer Menschen. Ziel dieser Technologie ist es, optimal zu unterstützen und ein selbstbestimmtes Leben im Alter zu ermöglichen. Für die Pflege sind drei Arten relevant: Assistenzroboter unterstützen Pflegende und Gepflegte bei alltäglichen Tätigkeiten. Monitoring-Techniken überwachen Körperfunktionen sensorbasiert aus der Ferne und alarmieren im Notfall. Soziale Begleitroboter sollen emotionale und kommunikative Bedürfnisse erfüllen. Insbesondere diese Systeme müssen äußerst verantwortungsvoll eingesetzt werden und dürfen zwischenmenschliche Beziehungen nicht ersetzen.

Sprachverarbeitung

Besonderheiten in der Sprache können Symptome für eine sich anbahnende oder akute Psychose sein. Betroffene verlieren häufig den gedanklichen Zusammenhang, vergessen was sie sagen wollten und kommen vom eigentlichen Thema ab. Umständliche Formulierungen oder unorganisierte Gedankengänge sind im Gespräch oft subtil und schwer zu erkennen. Systeme, die mit großen Datenmengen trainiert wurden, können diese Sprachmuster identifizieren und das Risiko einer Psychose mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen.

Transparenz

KI wird oft als »Black Box« bezeichnet, da nicht nachvollziehbar ist, wie das System zu einer Entscheidung kommt. Algorithmen analysieren riesige Datenmengen und geben darauf basierend eine Empfehlung ab. Dieser komplexe Prozess kann durch das medizinische Fachpersonal nur schwer überprüft werden, da nicht klar ist, welche Daten für die Entscheidung ausschlaggebend sind. Unter dem Schlagwort Explainable AI forscht das Fraunhofer IKS an Lösungen, die Entscheidungsgrundlage bei der Diagnostik für Anwenderinnen und Anwender verständlich und überprüfbar zu machen.

Überwachung

Sogenannte Wearables (am Körper tragbare Kleincomputer) werden bislang vor allem als Fitnesstracker eingesetzt, um Schritte zu zählen oder den Puls zu messen. Sie entwickeln sich aber zunehmend auch zu einem medizinischen Instrument. Insbesondere die Kontrolle von Messwerten bei chronischen Krankheiten wird dadurch vereinfacht. Blutzuckertracker für Menschen mit Diabetes sind bereits weit verbreitet. Ein Sensor am Oberarm überwacht dauerhaft den Blutzuckerspiegel, gibt Prognosen ab und visualisiert die Werte in einer App.

Vertrauen

Das Vertrauen der Bevölkerung ist der Schlüssel für die Akzeptanz der Anwendung von KI. Die Mehrheit in Deutschland befürwortet den Einsatz im Gesundheitswesen: 2020 gaben in einer Studie des Branchenverbandes Bitkom 66 % der Befragten an, KI eher als Chance zu sehen statt als Gefahr. Insbesondere in der Pflege werden die Potenziale als vielversprechend eingeschätzt: 75 % der Befragten äußerten den Wunsch nach KI in diesem Bereich. Trotz der hohen Zustimmung besteht weiterhin Skepsis gegenüber KI-unterstützten Entscheidungen. Um Vertrauensproblemen entgegenzuwirken, sind klare Zulassungsanforderungen und Aufklärung über intelligente medizinische Systeme notwendig.

Wirkstoffentwicklung

Die Entwicklung von Medikamenten ist ein langwieriger Prozess. Von der Entdeckung eines Moleküls bis zur Markteinführung vergehen im Durchschnitt zehn bis zwölf Jahre. Um diese Moleküle zu finden, untersuchen Forschende meist umfangreiche Molekülbibliotheken und durchlaufen vielzählige Testrunden. KI kann dieses Verfahren beschleunigen: Mithilfe von Machine Learning kann vorausgesagt werden, welche Eigenschaften eine potenzielle Substanz aufweist. Für die Synthese werden dann nur Substanzen mit den gewünschten Merkmalen ausgewählt. So kann Zeit und Geld gespart werden, da vermutlich nicht wirksame Substanzen vor der Synthese aussortiert werden.

Arzt vor CT-Bildern einer Wirbelsäule

Künstliche Intelligenz in der Medizin

Mehr über die Forschung des Fraunhofer IKS im Bereich Künstliche Intelligenz in der Medizin erfahren Sie auf unserer Website:

KI in der Medizin Pfeil nach rechts

X-Strahlung

Röntgen ist die am häufigsten eingesetzte Form der diagnostischen Bildgebung. Radiologinnen und Radiologen untersuchen täglich unzählige Aufnahmen, um Krankheiten zu diagnostizieren und Therapien zu empfehlen. Das Anwendungspotenzial von KI ist hier besonders groß: Algorithmen können nicht nur die aufwändige Auswertung der Bilder erleichtern, indem sie Auffälligkeiten suchen und markieren. Sie helfen auch dabei, die Strahlenbelastung möglichst gering zu halten. Algorithmen erkennen das entsprechende Körperteil und stellen den optimalen Aufnahmebereich dafür ein. Die Röntgenstrahlung wird dann auf die relevanten Bereiche fokussiert.

Y-Chromosomen

KI kommt nicht nur bei Y-Chromosomen zum Einsatz, sondern generell bei der Untersuchung des menschlichen Erbguts. Chromosomenanalysen werden zum Beispiel bei Verdacht auf das Down-Syndrom durchgeführt. Dafür wird ein Karyogramm erstellt, in dem alle Chromosomen des menschlichen Genoms dargestellt werden. KI kann die Chromosomen in Metaphasen-Aufnahmen erkennen, isolieren und im Karyogramm in der richtigen Reihenfolge anordnen. Für die Mitarbeitenden ergibt sich dadurch ein großer Zeitgewinn, den sie für die Interpretation der Daten nutzen können.

Zulassung

Medizinische Produkte dürfen erst dann auf den Markt kommen, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllen und vorgeschriebene Bewertungsverfahren durchlaufen haben. Auch bei Software kann es sich um ein medizinisches Produkt handeln, wenn sie der Prävention, Diagnose oder Therapie von Erkrankungen dient. Da lernende Systeme sich weiterentwickeln, wenn mehr Daten eingespeist werden, ist die Zulassung regulatorisch anspruchsvoll. Geregelt wird sie durch die geltende EU-Medizinprodukteverordnung. Hersteller müssen die Konformität ihrer Produkte mit der Verordnung nachweisen. Allerdings gibt es noch keine erprobten und allgemein akzeptierten Vorgehensweisen für die Konformitätsbewertung von KI-Medizinprodukten.

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Anna Sophie Kreipp
Anna-Sophie Kreipp
Künstliche Intelligenz & Machine Learning / Fraunhofer IKS
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