KI in der Automatisierung
Vielfältige Einsatzszenarien

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein allgegenwärtiges Thema, nicht zuletzt wegen des aktuellen Hypes um Large-Language-Modelle und Generativer KI zur Generierung von Text, Bild und Ton. Auch in der Industrie ist das Thema bereits angekommen.

29. Oktober 2024

mask Produktion am Fließband

Laut einer ifo-Konjunkturumfrage(1) nutzen 31 Prozent der Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe bereits Technologien Künstlicher Intelligenz (KI), in weiteren 20 Prozent ist es geplant. Das liegt über dem Durchschnitt aller befragten deutschen Unternehmen (jeweils 27 Prozent und 17,5 Prozent). Gleichzeitig herrscht immer noch Skepsis in Hinblick auf KI, bei Unternehmen zum Beispiel wegen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses und fehlenden Vertrauens und auch bei den Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise wegen Arbeitsplatzunsicherheit und mangelnder Transparenz. Zusätzlich werden neue Regularien eingeführt, wie z.B. der EU AI Act, welcher KI-Systeme regulieren soll.

Zwischen Hype und Skepsis stellt sich nun die Frage: Wo kann das Potenzial von KI ausgeschöpft werden und was sind realisierbare Anwendungen, heute und in der Zukunft?

Industrie 4.0 sorgt für Optimierung

In der industriellen Automatisierung hat sich in den vergangenen Jahren ein Umbruch vollzogen: Die sogenannte Industrie 4.0 steht für einen technologischen Fortschritt, in dem durch Digitalisierung und intelligente Vernetzung Prozesse wesentlich optimiert werden. Zusätzlich vollzieht sich ein Wandel zu einer werteorientierten Sicht auf die Produktion, denn der Produktionssektor steht aktuell unterschiedlichen Herausforderungen gegenüber: Fachkräftemangel, individuelle Kundenwünsche, erhöhte Energiekosten, Unsicherheit in der Lieferkette und so weiter.

Das Potenzial und der Nutzen für KI liegen also auf der Hand: Die durch den technologischen Fortschritt erzeugte große Menge an Daten bringt neue KI-basierte Lösungen voran, die zum Beispiel neben einer Automatisierung von einzelnen Prozessen auch Mensch-Maschine-Kollaboration und nachhaltige, resiliente Fertigungsprozesse ermöglichen.

Schon einfache Algorithmen wie Entscheidungsbäume lassen sich nutzen, zum Beispiel für die Qualitätskontrolle während der Produktion. Regressionsmodelle ermöglichen die Analyse von Daten etwa für Durchlaufzeitvorhersagen oder vorausschauende Wartung. Natural-Language-Processing-(NLP)-Modelle können genutzt werden, um Anomalien in Maschinenprotokollen zu identifizieren oder Aktionen per Sprachsteuerung durchzuführen. Methoden der industriellen Bildverarbeitung erlauben die Qualitätsinspektion von Produkten. KI-basierte Sensordatenfusion von Kamera und LiDAR dient der Detektion von Objekten und der Navigation von autonomen mobilen Robotern.

KI ist also gerade dabei, vielfältige Einsatzgebiete in der Automatisierung zu erobern. Und: Hierbei kommen nicht nur mächtige beziehungsweise komplexe KI-Modelle zum Einsatz wie Neuronale Netze (NN), sondern KI-Modelle, die zur Art und Komplexität der Aufgabe passen.

KI-Systeme für Adaptive Produktion

Ein wichtiger Aspekt in der werteorientieren Produktion ist die Anpassung an vielfältige Änderungen. Hierfür müssen die KI-Ergebnisse sinnvoll verarbeitet und in das System zurückgeführt werden, z.B. durch automatisierte Reaktionen, Anpassung und Optimierung von Prozessen oder weiteren Geschäftsentscheidungen:

In der Mensch-Maschine-Kollaboration muss bei der Zusammenarbeit mit einem Roboter die Sicherheit des Menschen gewährleistet sein. Das heißt: Sollte mithilfe von Bild- oder Abstandssensoren eine KI einen Menschen detektieren, muss sich das Verhalten des Roboters anpassen, in der Regel durch Anhalten oder Ausweichen.

  • Sollten während der Qualitätskontrolle oder Qualitätsinspektion (potenzielle) Defekte erkannt werden, ist die Auftragsplanung so anzupassen, dass das angestrebte Produktionsvolumen termingerecht erreicht wird.
  • Sollte das System einen Verschleiß an einer Maschine erkennen, müssen die benötigten Schritte zur Wartung zum richtigen Zeitpunkt eingeleitet werden, um Ausfallzeiten zu minimieren.
  • Bei erhöhter Ressourcennutzung sind die Prozesse so anzupassen, dass Ressourceneffizienz sichergestellt ist.
  • Bei Störungen in der Lieferkette oder Änderungen des Marktbedarfs, müssen Anpassungen an Zulieferer, Warenlagerung, und Warentransport getroffen werden.
Der reine Einsatz von KI allein ist also nicht ausreichend. Die KI-Komponente muss in ein System integriert werden, welches die – oft verteilten – benötigten Daten sammelt und in das KI-Modell einspeist. Anschließend müssen die Ergebnisse an die richtigen Stellen gelangen. Auf diesem Weg werden die Steuerung eines Roboters oder die Auftragsplanung automatisiert angepasst oder Warnungen und Empfehlungen an einen menschlichen Bediener ausgesprochen.

So können Fertigungsprozesse nachhaltiger gestaltet werden, vor dem Hintergrund steigender Energiekosten und im Sinne des Umweltschutzes. Zu Zeiten flexibler und kundenspezifischer Lösungen ist außerdem die Produktion zu jeder Zeit gewährleistet: Es kann nun auf unerwartete Störungen, zum Beispiel in der Fabrik oder der Lieferkette, angemessen reagiert werden, sodass Liefertermine dennoch eingehalten werden können.

Vertrauenswürdige KI

Ein großes Bedenken gegen die Nutzung der KI ist jedoch das fehlende Vertrauen. Viele KI-Methoden sind sogenannte Black Boxes, das heißt, die Gründe für die Ergebnisse und Entscheidungen der KI lassen sich nicht nachvollziehen.

Unter dem Motto Safe Intelligence erforscht das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS, wie KI-Systeme so abgesichert werden können, um Sicherheit (im Sinne von Safety) und Qualität von industriellen KI-Anwendungen zu gewährleisten. Dafür muss nachgewiesen werden, dass unterschiedliche Anforderungen an die maßgeblichen Eigenschaften eines KI-Systems erfüllt werden: unter anderem Performance des Modells, Robustheit gegenüber Veränderungen, Qualität der genutzten Daten sowie Transparenz bzw. Erklärbarkeit des Modells während der Entwicklung und des Betriebs.

Um den Beleg dafür zu erbringen, sind unterschiedliche Maßnahmen zu treffen, etwa die Überwachung des Modells zur Laufzeit mit Nachlernen des Modells bei Bedarf, gründliches Testen im Testfeld oder in der Simulation, oder die Anwendung von Methoden zur Erklärbarkeit von KI. Das stärkt nicht nur das Vertrauen in KI, sondern liefert auch einen Nachweis der gewünschten Qualität der KI und ermöglicht den Einsatz von KI-Systemen in sicherheitskritischen Anwendungen.

KI als Unterstützung des Menschen

Doch eine Sorge bleibt: Wird der Mensch durch KI in der Automatisierung selbst „wegautomatisiert“? Theoretisch existieren zwar Konzepte für eine vollautomatisierte Fabrik. Realistisch gesehen werden aber Menschen, Maschinen und Roboter auch mit weiterem Fortschritt der KI gemeinsam und nebeneinander in der Fabrik der Zukunft zusammenarbeiten.

Mithilfe von KI sollen den Menschen in der Produktion wiederholende oder gefährliche Aufgaben abgenommen werden, sodass sie sich auf kreative und komplexe Aspekte konzentrieren können, wie Qualitätskontrolle oder kundenspezifische Lösungen. Auch generative KI, die „kreativ“ sein kann, ist in der Lage, eine unterstützende anstatt einer ersetzenden Funktion zu übernehmen. Ein KI-basierter Chatbot könnte zum Beispiel Fragen über das Produktionssystem beantworten und Handlungsempfehlungen aussprechen, während der menschliche Nutzer basierend auf diesen Informationen schneller Entscheidungen treffen kann. Oder es könnten schneller Texte übersetzt und Reports verfasst werden. Bei der Produktentwicklung wäre es möglich, 3D-Modelle auf Basis von Beschreibungen und technischen Zeichnungen zu generieren. Code-Ausschnitte ließen sich ebenfalls auf Basis von Beschreibungen programmieren.

Während so zwar einige Tätigkeiten – mit oft belastenden und monotonen Aufgaben – wegfallen könnten, ergeben sich jedoch – mit entsprechenden Weiterbildungsangeboten – auch neue Stellen und Perspektiven für die Arbeit in der Produktion. Vor allem in Zeiten von Fachkräftemangel sind innovative Lösungen zur schnellen und einfachen Unterstützung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unverzichtbar.

KI in der Automatisierung eröffnet viele Anwendungsmöglichkeiten – von kleinen Analysen bis hin zu umfassenden Assistenzsystemen. Das Potenzial, die Produktivität, aber auch die Aspekte der Ausrichtung auf den Menschen, die Resilienz, und die Nachhaltigkeit zu stärken, ist immens. So wird in Zukunft ein Roboter in der Lage sein, die Absicht und Konzentrationsfähigkeit des Menschen einzuschätzen und dementsprechend seine Handlungen anzupassen. Kombiniert mit weiteren Entwicklungen – wie digitalen Modellen von Menschen, neuartigen Mensch-Maschine-Schnittstellen und erklärbarer KI – entsteht ein gemeinsames Verständnis von Intentionen und Fähigkeiten sowie eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.

Referenzen

(1) https://www.ifo.de/fakten/2024...


Dieser Beitrag erschien unter dem Titel »KI in der Automatisierung« im Impulspapier (VDE Info) des Verbands der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE) »Rolle der Künstlichen Intelligenz in der Elektro- und Informationstechnik«, Seite 44 bis 46

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