Industrieautomatisierung
MBO-KISS: Die Zukunft der Steuerungsanwendungen in der Industrie

Kann KI die Produktionssteuerung revolutionieren? Eine Antwort auf diese Frage soll das Forschungsprojekt MBO-KISS (Methoden zur Bewertung und Optimierung KI-generierter Steuerungsanwendungen basierend auf der physikalischen Simulation von Maschinen und deren Sollverhalten) geben. Das Projekt startete Anfang 2025 mit einer Laufzeit von drei Jahren. Ziel ist es, die Möglichkeiten von Large Language Modellen (LLMs) zur Generierung und sicheren Anwendung von Steuerungsanwendungen in der Industrieproduktion zu untersuchen.

Mensch bedient Tablet
mask Mensch bedient Tablet

Wenn Large Language Models (LLM) es schaffen, Steuerungsanwendungen für die Industrie zu programmieren, die sicher und zuverlässig laufen, würde dies nicht nur den Engineering-Aufwand von der Planung bis zum Prototyp deutlich verkürzen. Auch das Problem des Fachkräftemangels im Bereich der Industrieautomatisierung würde teilweise entschärft werden. Denn Spezialisten mit Kenntnissen in IEC 61131-3-Programmiersprachen, dem vorherrschenden Standard der Industrie, werden immer seltener.

Um sich diesem Ziel zu nähern, sind zunächst die wesentlichen Hindernisse im gesamten Entwicklungsprozess aus dem Weg zu räumen. Eines der Probleme ist ein Sprachproblem, Öffentlich nutzbare LLMs, die für die Codegenerierung optimiert sind, wurden primär mit Code in den Hochsprachen Python, Java oder C/C++ trainiert. Da jedoch gängige IEC 61131-3-Sprachen wie Structured Text (ST) oder Sequential Function Chart (SFC) weitgehend nur bei Automatisierungsfachleuten bekannt sind, bilden eben diese einen geringen Anteil an den Trainingsdaten der großen Sprachmodelle. Und weil die IEC 61131-3-Sprachen zudem überwiegend innerhalb von Unternehmen verwendet werden und oftmals Teil der IP der Maschinen sind, stehen frei verfügbare Code-Basen kaum bereit. Echtzeitanforderungen, die Kommunikation mit Aktoren und Sensoren und sicherheitskritische Anforderungen, wie sie im Standard beschrieben sind, finden ebenfalls nur unzureichend ihren Weg in die Trainingsdaten.

Komplexität reduzieren

Ein weiteres, für die Codegenerierung per LLM sehr relevantes Problem stellt die Komplexität der Anwendung dar. Je komplexer, umso wichtiger ist eine geeignete Dekomposition, das heißt Zerlegung der Anwendung in einzelne weniger komplexe Komponenten, um optimale Ergebnisse bei der Codegenerierung zu erreichen. Bei der Dekomposition stehen sich Methoden des klassischen Softwarearchitektur-Designs und die statistische Häufigkeit der Trainingsdaten bzw. in den Trainingsdaten häufig gefundene Muster gegenüber.

Sind einzelne Codekomponenten generiert worden, besteht die nächste Herausforderung darin, die Funktion der Komponenten zu verifizieren und aus den Komponenten eine funktionierende Anwendung zusammenzubauen. Die bei der Dekomposition definierten Schnittstellen wirken sich dann auf die Orchestrierung der Komponenten zur Steuerungsanwendung aus.

Während sich das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS im Forschungsprojekt MBO-KISS auf die Aspekte der Generierung von Steuerungscode konzentriert, betrachten die beteiligten Industriepartner automatisierte Testmöglichkeiten der geschaffenen Softwarekomponenten bzw. der gesamten Anwendung. Durch die Bündelung der Aktivitäten aller Partner soll ein Kreislauf entstehen, in dem die Resultate des Tests wieder in das Prompting einfließen und so eine iterative Verbesserung der Anwendung erreicht wird.

Fokus auf Einsatz existierender LLMs

Das Projekt MBO-KISS setzt seinen Schwerpunkt nicht darauf, IEC 61131-3-spezifische Modelle zu erzeugen, sondern existierende bzw. verfügbare Modelle mit den eingangs genannten Einschränkungen zu verwenden. Dazu werden Methoden entworfen, die versuchen, diese Einschränkungen zu bewerten und Lösungsansätze zu entwickeln, die es ermöglichen, solche Modelle einzusetzen, um IEC 61131-3 zu generieren. So ist es durchaus denkbar, ein vortrainiertes Modell mit Hilfe von eigenen Datensätzen nachzutrainieren (z.B. auf Basis des Modells CodeGen) oder bei der Prompt-Erstellung RAGs (Retrieval-Augmented Generation) einzusetzen, eine Technik, welche die Ergebnisse der LLMs verbessert und Halluzinationen der KI vermeidet.

Zweistufiger Testworkflow

Der Test erfolgt in Form eines zweistufigen automatisierten Testworkflows, bestehend aus statischen und dynamischen Methoden. So wird zunächst der Code selbst analysiert und anschließend in einer Testumgebung verifiziert, bestehend aus einer Software-SPS, der Simulation der Maschine und steuernden Testwerkzeugen. Die Ergebnisse aus statischen und dynamischen Tests werden für weitere Generierungsdurchgänge genutzt.

Am Projekt MBO-KISS sind insgesamt sechs Partner beteiligt. Abgesehen vom Fraunhofer IKS, dessen Schwerpunkt neben der Projektleitung vor allem in den Aspekten der Codegenerierung liegt, sind folgende drei Unternehmen aus dem Bereich Codeanalyse, Testautomatisierung und Anwendungsentwicklung beteiligt:

Die ITQ GmbH wird sich auf die automatisierte Analyse der Qualität des generierten Codes konzentrieren, die eine der Dimensionen des Verifikationsprozesses darstellt. In einem ersten Schritt sollen dabei verschieden Metriken für eine statische Codeanalyse definiert und umgesetzt werden. Darauf aufbauend folgt mit Hilfe einer Anlagensimulation eine dynamische Codeanalyse.

Die Sepp.med GmbH wird sich auf Testanalyse, Testentwurf, Testrealisierung, Testautomatisierung und Testabdeckung konzentrieren, was eine weitere Verifikationsdimension darstellt.

Die Max Streicher GmbH & Co. KGaA übernimmt die Rolle des Anwenders und stellt u. a. die Use Cases bereit. Außerdem gleicht sie die Fortschritte der Entwicklung und die Teilergebnisse mit den eigenen Bedürfnissen ab und testet diese soweit möglich unter reellen Bedingungen.

Darüber hinaus werden die assoziierten Partner Codesys Group und Bosch Rexroth AG das Projekt begleiten und begutachten.

Die KI-Technologie LLM entwickelt sich zurzeit rasant weiter, sodass regelmäßig mit verbesserten Modellen zu rechnen ist. Umso wichtiger ist es, nicht nur Methoden zu betrachten, mit denen LLMs integriert werden, um Steuerungsanwendungen zu erstellen. Vielmehr geht es auch darum, geeignete Methoden zu entwerfen, mit denen sich LLMs für Steuerungsaufgaben bewerten lassen und diese Methoden Fertigungsunternehmen bereitzustellen.


Das Projekt wird gefördert durch das bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie im Programm BayVFP Förderlinie Digitalisierung.

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Dirk Eilers
Künstliche Intelligenz & Machine Learning / Fraunhofer IKS
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